Nach der Insolvenz holt Waagner-Biro den Sanierer Erhard Grossnigg an Bord. Der 1854 gegründete Industriebetrieb ist weltbekannt für seine Glaspaläste – von der Reichstagskuppel bis zum verhängnisvollen Louvre in Abu Dhabi.
Wien. Die Erkenntnis kam um einiges früher als die Folgen: „Wir haben beim Louvre viel gelernt, heute würden wir den Louvre nicht mehr bauen.“ Das sagte der – mittlerweile ehemalige – Vorstand des Wiener Industriebetriebs Waagner-Biro, Thomas Jost, Anfang 2017 in einem „Presse“-Interview. Gemeint war das Louvre-Museum in Abu Dhabi. Mittlerweile ist bekannt, dass das Prestigeprojekt, für das Waagner-Biro international gefeiert wurde, dem Unternehmen zum Verhängnis wurde. Am Mittwoch wurde ein Insolvenzverfahren über die Holding Waagner-Biro AG eröffnet. Eine Woche davor hatte die Stahlbautochter SBE Alpha Insolvenz angemeldet. Sie wurde geschlossen, 107 Mitarbeiter verlieren ihre Jobs. Auch die 45 Beschäftigten der nicht operativ tätigen Holding wurden vorsorglich beim AMS zur Kündigung angemeldet.
Dabei hatte der 164 Jahre alte Wiener Traditionsbetrieb in den vergangenen Jahren stabile Zahlen verzeichnet, zuletzt knapp 200 Mio. Euro Umsatz und 10,1 Mio. Euro Vorsteuergewinn. Aber beim Dach des Louvre, das als architektonisches Meisterwerk gilt, kam es zu Verzögerungen und Kostenerhöhungen, für die laut Jost der Auftraggeber verantwortlich sei. Schließlich verweigerte Abu Dhabi Zahlungen an den Generalunternehmer, und auch Waagner-Biro bekam als Subunternehmer nichts mehr. Auch in Russland gab es Zahlungsausfälle.
Und so ging am Ende alles ganz schnell. Die Vorstände Jost und Martin Zinner wurden gegen Alexander Liaunig und Bernhard Chwatal ausgetauscht. Der bekannte Sanierer Erhard Grossnigg soll die auf Bühnentechnik spezialisierte Austria Stage Systems übernehmen, der Kaufpreis bleibt geheim. Auch für die auf Brückenbau spezialisierte Tochter Bridge Systems laufen Verkaufsgespräche, laut Informationen der APA dürfte aber auch für sie ein Sanierungsverfahren beantragt werden.
Opernhäuser in Berlin und Sydney
Die heutige Waagner-Biro wurde 1854 in Wien als Schlossereibetrieb gegründet. Als eines der ersten Projekte stattete er die Wiener Staatsoper mit Bühnentechnik aus. Heute ist Waagner-Biro ein globaler Konzern mit knapp 1500 Mitarbeitern (170 in Österreich) an 16 Standorten in Europa, Asien und dem Mittleren Osten. 95 Prozent des Geschäfts werden im Ausland gemacht. Eigentümer sind Ex-Firmenchef Thomas Jost (25 Prozent) und die Industriellenfamilie um den früheren Sanierer und Kunstsammler Herbert Liaunig (36,4 Prozent).
Der Rest der Anteile ist im Streubesitz. Liaunig hielt mehrere Industriebeteiligungen und machte sich seit den späten 1980er-Jahren einen Namen als Restrukturierer, etwa der Österreichischen Schiffswerften und der Austria Email. 2008 eröffnete – und finanzierte – er ein Privatmuseum in Neuhaus, Kärnten. Seine Sammlung umfasst eindrucksvolle 3000 Werke.
Eindrucksvoll ist auch die Liste an Prestigeprojekten, die Waagner-Biro realisiert hat: die Bühnen der Hamburger Elbphilharmonie, die Hofüberdachung des British Museum, die Reichstagskuppel in Berlin, die Opernhäuser in Berlin und Sydney, die Brücke über das Goldene Horn in Istanbul, allein 20 Projekte in der Golfregion – und das sind nur Auszüge. Projekte, die viel Renommee brachten, deren Umsetzung aber oft schwierig und langwierig war. Deshalb richtete Waagner-Biro die Strategie neu aus: viele kleine und mittlere Aufträge, denn das Geschäft dürfe nicht nur von Großprojekten abhängig sein. Eine Erkenntnis, die sich mit der Insolvenz bestätigt hat.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2018)