„Freddie ging es um Freiheit“

„Man muss alles abbauen, was an Mythos existiert. Ich kann ja keinen gottgleichen Künstler spielen“, sagt Malek.
„Man muss alles abbauen, was an Mythos existiert. Ich kann ja keinen gottgleichen Künstler spielen“, sagt Malek. (c) REUTERS (EDDIE KEOGH)
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In „Bohemian Rhapsody“ verkörpert Rami Malek den Queen-Frontmann Freddie Mercury. Warum sich damals jeder irgendwie in Mercury verknallt hat, weshalb der Sänger sich nie in eine Schublade stecken ließ und was an seiner Geschichte besonders interessant ist.

Einen Superstar zu verkörpern, den auf der ganzen Welt jeder kennt, gehört zu den schwierigsten Aufgaben, vor denen ein Schauspieler stehen kann. An Mut und Risikobereitschaft mangelt es Rami Malek (dessen Eltern anders als Mercurys nicht aus Indien, sondern aus Ägypten stammen) also auf jeden Fall nicht. Und auch nicht an Talent, wie der 37-Jährige schon in Filmen wie „The Master“ oder zuletzt „Papillon“ mit Charlie Hunnam bewies. Wir trafen Malek in Berlin zum Interview, um über seinen neuen Film „Bohemian Rhapsody“ zu sprechen, der seit 31.10. im Kino läuft – und über Mercury.

Sie geben schon den ganzen Tag Interviews. Ich hoffe, Sie halten noch etwas durch...

Rami Malek: Ich bin wirklich ziemlich müde. Aber keine Sorge. Dies ist mein letztes Interview, also gebe ich Ihnen das beste, Darling (lacht). Das ist ein Originalzitat von Freddie!

Wie viel wussten Sie eigentlich über Freddie Mercury, bevor Sie die Hauptrolle in „Bohemian Rhapsody“ übernahmen?

Eigentlich gar nicht sehr viel. Natürlich kannte ich seine Musik, all diese großartigen Queen-Hits. Und ich hatte einige sehr ikonische Bilder und Outfits von Freddie im Kopf. Aber über ihn als Menschen wusste ich kaum etwas. Das änderte sich erst, als ich für diese Rolle im Gespräch war und nach L.A. flog, um die Produzenten zu treffen. Da habe ich mit meiner Recherche begonnen und alles aufgesogen, was ich über Freddie und sein Leben finden konnte.

Haben Sie es nie als überwältigend empfunden, eine solche Legende zu verkörpern?

Man muss natürlich irgendwie versuchen, alles abzubauen, was an Mythos und Legende um ihn herum existiert. Ich kann schließlich keinen gottgleichen Künstler spielen, der auf der Bühne einen direkten Draht in den Himmel zu haben scheint. Daran auch nur zu denken, wirkt sich lähmend aus. Aber je mehr ich mir vor Augen geführt habe, dass unter all diesem Überbau ein Mensch aus Fleisch und Blut steckte, desto eher erkannte ich eine Aufgabe, der ich gewachsen war. Denn Menschen aus Fleisch und Blut verkörpere ich ja immer wieder, auch wenn manche exzentrischer sind als andere.

Welche Seiten am Menschen Freddie Mercury haben Sie denn am meisten fasziniert?

Ich fand es spannend, nicht nur auf den Ausnahmekünstler zu blicken, sondern auch auf den kleinen Farrokh Bulsara, als der er sein Leben begann. Ein kleiner Junge aus einfachen Verhältnissen, der als Einwanderer nach England kam, wo die wenigsten aussahen wie er, und dem sein ungewöhnliches Gebiss die Sache nicht leichter machte. Sein Leben ist die komplexe und facettenreiche Geschichte einer Suche nach Identität, nicht nur, was das Leben in einem fremden Land angeht, sondern später natürlich auch in sexueller Hinsicht.

Der Film zeigt seine Beziehung zu seiner langjährigen Freundin Mary Austin – aber auch, wie er später seinen Lebensgefährten Jim Hutton kennenlernt. Er selbst nennt sich an einer Stelle bisexuell, Mary sagt, er sei schwul. Welchen Blick haben Sie selbst?

Eine Sache, die ich nach all dem Archivmaterial, das ich gesichtet habe, stets bewundert habe, ist die Tatsache, dass Freddie sich in keinem Interview je dazu verleiten ließ, irgendetwas zu sagen, was er nicht sagen wollte. Darin war er ein Meister. Er hat sich nie in irgendeine Schublade stecken oder ein Label verpassen lassen. Das machte ihn auch zu einem solch ungewöhnlichen Performer, denn er konnte sich zu jedem Zeitpunkt in jemand anderen verwandeln und jedem einzelnen Zuschauer und Zuhörer als Identifikationsfläche dienen. All das war mir wichtig zu zeigen. Nicht, ihn durch irgendeine Definition einzuschränken.

Sie würden auch nicht sagen, dass er sein Publikum hinters Licht geführt hat?

Oh nein, er hat ja nichts verleugnet. Sondern einfach nur nie selbst seine Präferenzen öffentlich definiert. Andere haben das immer wieder erwartet, aber er hat sich dem verweigert.

Gleichzeitig hätte es viele Fans gegeben, für die ein öffentliches Coming-out viel bedeutet hätte. Oder er hätte viel tun können im Kampf gegen die Stigmatisierung von Aids.

Nach allen Einblicken, die ich in seine Persönlichkeit gewinnen konnte, war der Grund dafür, dass er all das nicht wollte, weniger die Angst um seine Karriere. Er wollte nicht festgelegt sein auf irgendetwas. Ihm ging es um größtmögliche Freiheit. Heute zeige ich diese Seite von mir, morgen jene, aber immer bin ich mir selbst treu. Akzeptiert das oder lasst es bleiben, aber ich verbiege mich nicht. Das war sein Motto.

Versteckt hat er sich ja tatsächlich nie, wenn man an seine Jahre in München denkt, wo er sich sehr frei in der schwulen Szene bewegte. Heute würde sich das ein nicht geouteter Künstler vermutlich kaum trauen...

So wie ich Freddie kenne, würde er auch heute genau so leben wie er leben will. Kompromisse eingehen, sich zu verstecken und zu verbiegen, das war einfach nicht Teil seiner DNA, ganz gleich ob im 16. Jahrhundert, in den 1980er-Jahren oder in der Zukunft.

Mercurys Manager Paul Prenter war – wie auch der Film zeigt – lang sein engster Vertrauter, bevor es zum Zerwürfnis kam. Wie würden Sie die Beziehung beschreiben?

Ich denke dass jeder, der näher mit Freddie zu tun hatte, sich wahrscheinlich auf die eine oder andere Weise in ihn verknallt hat. Wie genau es um Pauls Gefühle bestellt war, kann ich natürlich unmöglich sagen. Ich weiß nur, dass er mir immer bis zu einem gewissen Grad ein Rätsel geblieben ist, egal wie viel ich recherchiert und mit wem ich auch gesprochen habe. Auf jeden Fall war er jemand, der Freddie vieles besorgen konnte, was er brauchte oder wollte – und der sicherlich manchmal nicht nur sein Bestes im Sinn hatte.

Aber die beiden waren nie ein Paar, oder?

Nein. Allerdings weiß ich nicht, ob nicht vielleicht trotzdem einmal etwas zwischen ihnen gelaufen ist. Freddie hat ja nichts anbrennen lassen. Aber dazu ist mir nichts Näheres bekannt.

Sie haben sicherlich viel mit den anderen Queen-Mitgliedern Brian May und Roger Taylor gesprochen, die eng in die Entstehung des Films eingebunden waren. War diese Nähe immer nur hilfreich?

Es war zumindest nicht hinderlich, sagen wir es so. Aber man darf nicht vergessen, dass die beiden einen ihrer engsten Freunde und Wegbegleiter viel zu früh an eine furchtbare Krankheit verloren haben und darunter immer noch leiden. Das merkte man ihnen immer an, sobald die Sprache auf Freddie kam. Deswegen habe ich mir immer Mühe gegeben, nicht zu aufdringlich zu sein mit meinen Fragen. Viel aufschlussreicher war es ohnehin oft, die beiden einfach erzählen zu lassen und auf diesem Wege etwas über Freddie und das Verhältnis der Band untereinander zu erfahren.

Zu den stärksten Szenen gehören die Auftritte von Queen, in denen Freddie Mercurys Bühnenenergie spürbar wird. Wie viel Rampensau steckt eigentlich in Ihnen?

Die größte Parallele zwischen Freddie und mir ist sicher der Wunsch nach Privatsphäre. Aber auch wenn ich vermutlich deutlich schüchterner und zurückhaltender wirke als er, würde ich schon auch behaupten, dass ich eine gewisse Präsenz habe. Rampensau ist vielleicht nicht das passende Wort. Aber Showman bin ich zu einem gewissen Grad auf jeden Fall, sonst wäre ich wohl kaum Schauspieler geworden.

Steckbrief

1981 wurde Rami Malek als Sohn ägyptischer Eltern in Los Angeles geboren. Er hat einen eineiigen Zwillingsbruder, der Lehrer ist.

Als Kenny in der Sitcom „Familienstreit de Luxe“ wurde er einem breiteren Publikum bekannt, 2012 spielte er im fünften Teil der „Twilight-Saga“, aktuell ist er in der TV-Serie „Mr. Robot“ zu sehen.

2017 war er neben Charlie Hunnam in „Papillon“ zu sehen. In „Bohemian Rhapsody“ verkörpert Malek nun Freddy Mercury.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2018)

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