Europas JÜNGSTER KANZLER: Kurz im Scheinwerferlicht

Sebastian Kurz.
Sebastian Kurz.(c) REUTERS (FRANCOIS LENOIR)
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Österreich sorgt international für Schlagzeilen – als europäisches Land mit dem jüngsten Kanzler.

Österreich sorgt international für Schlagzeilen – als europäisches Land mit dem jüngsten Kanzler. Hierzulande ist Sebastian Kurz' Alter zuletzt kaum noch Thema gewesen. Man hat sich über die Jahre an seine Jugend gewöhnt. Mit 24 wurde er zum jüngsten Staatssekretär in der Geschichte des Landes, mit 27 zum jüngsten amtierenden Außenminister und vor einem Jahr, mit damals 31 Jahren, zum jüngsten Kanzler. International hat ihm das Zuschreibungen wie „Wiener Wunderknabe“, „The fresh face“ oder aber auch „gefallsüchtiger Jugendlicher“ beschert.

In Porträts wird gern sein jugendliches Aussehen beschrieben. Er wirke, schrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, nachdem Kurz die ÖVP übernommen hatte, wie „ein Jurastudent aus gutem Hause, dem man vertrauensvoll seine Kinder zum Babysitten“ überlasse. „Seine dezent gepuderten Wangen“, legte der „Spiegel“ nach, „leuchten so rosig und frisch wie die des Jungen der Kinderschokoladenpackung.“

Doch es bleibt nicht bei oberflächlicher Stilkritik. Es geht um Sebastian Kurz' politische Einordnung. Er prägt das Österreich-Bild. Ehrgeiz, Professionalität und politisches Talent werden ihm von allen zugeschrieben. Er surfe elegant auf dem Zeitgeist, habe sich mit der Flüchtlingswelle zum „Popstar der Rechten“ („Süddeutsche“) aufgeschwungen und die schmuddelige FPÖ erneut salonfähig gemacht. Er selbst sei allerdings kein Extremer – nur extrem hungrig nach Macht. „Die prägendste Ideologie, die man ihm zuschreiben kann, ist der Opportunismus“, schreibt der „Spiegel“. Immer wieder wird dem mittlerweile 32-Jährigen ein starkes Machiavelli-Gen attestiert. Jedes Mittel zur Ergreifung und Erhaltung der Macht sei ihm recht. So sehen das die internationalen Kritiker.

Doch es gibt auch viele Bewunderer. „Warum haben wir nicht so einen?“, fragte die „Bild“-Zeitung, nachdem die als Liste Sebastian Kurz angetretene ÖVP den ersten Platz bei der Nationalratswahl belegt hatte. Mit seinem Flüchtlingskurs hat sich Kurz international einen Namen gemacht und die Debatte über Österreichs Grenzen hinweg beeinflusst. Gern gesehen war er als Interviewpartner in deutschen Zeitungen und Talkshows. Dort konnte er sich – auch wenn er das freilich nie so sagen würde – als Gegenpol zur deutschen Bundeskanzlerin, Angela Merkel (CDU), präsentieren. Als politisch erfahrener, aber nur halb so alter Politiker mit jugendlichem Elan, einer gewissen Lockerheit und scharfen Ansagen sowie einer klaren Message: Es braucht die Schließung der Westbalkan-/Mittelmeer-Routen statt einer offenen Grenzpolitik.

Eine neue Art Staatsmann

Damit hat Kurz einen Nerv getroffen. In vielen Ländern wurde die Flüchtlingspolitik restriktiver. Das wurde auch in Deutschland nicht nur von der bayrischen CSU, sondern auch von einigen CDU-Politikern gefordert. Dazu zählt Jens Spahn. Der 38-jährige Gesundheitsminister würde nun, nach Merkels angekündigtem Rückzug als Parteichefin, allzu gern ihr Nachfolger und ein bisschen so wie Sebastian Kurz sein. „Eine neue Art Staatsmann“, wie es die „Times“ bezeichnete. Ähnlich wie Kanadas Premier, Justin Trudeau, und Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron – nur eben konservativer.

Und deutlich rechter. Österreichs junger Kanzler und seine türkis-blaue Regierung sind international für viele Zeichen eines Rechtsrucks – näher an dem Ministerpräsidenten Ungarns, Viktor Orbán, oder Italiens Vizepremier, Matteo Salvini, und Jarosław Kaczyński, Polens starkem Mann. Auch der Austritt aus dem UN-Migrationspakt, mit dem sich Österreich gegen die Mehrheit der Staaten gestellt hat, passt hier ins Bild. Kurz selbst will Österreich als Vorreiter verstanden wissen. Gleichzeitig versucht er, das Land aber auch (über die EU-Ratspräsidentschaft hinaus) wieder als Brückenbauer zwischen den Staaten zu etablieren. Ein schwieriger Spagat.

Schon heute ist Kurz' Bekanntheitsgrad international höher als der meisten seiner Vorgänger. Unerkannt bleibt er offenbar oft trotzdem. Vor dem Schloss Schönbrunn, erzählte Kurz jüngst, hätten ihn ein paar asiatische Touristen um ein Foto gebeten. Auf seinen Hinweis, dass er „Austrias prime minister“ sei, hätten sie nur gelacht. Sie dachten, es sei ein Scherz.

AUF EINEN BLICK

Sebastian Kurz ist der jüngste Kanzler, den Österreich je hatte, und der jüngste Regierungschef in einem EU-Land. Er trat sein Amt mit 31 Jahren an. Ähnlich jung wie Kurz sind nur wenige: Viktor Orbán war 35 Jahre alt, als er 1998 erstmals ungarischer Regierungschef wurde. Frankreichs Staatspräsident, Emmanuel Macron, zog mit 39 in den Élysée-Palast ein. Irlands Regierungschef, Leo Varadkar, war bei seinem Amtsantritt 38. Der griechische Ministerpräsident, Alexis Tsipras, war bei seinem Amtsantritt im Jahr 2015 rund 40 Jahre alt. Im selben Jahr wurde Justin Trudeau mit 43 Jahren kanadischer Premierminister.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2018)

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