Van der Bellen: "Erneuern wir das spezifisch Österreichische"

Bundespräsident Van der Bellen beim Staatsakt anlässlich 100 Jahre Republik.
Bundespräsident Van der Bellen beim Staatsakt anlässlich 100 Jahre Republik.(c) APA (Hans Punz)
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Mit einem Staatsakt feiert das offizielle Österreich den 100. Jahrestag der Ausrufung der Republik. Nur die liberale Demokratie kenne das Ringen um gemeinsame Lösungen zum Wohle aller, sagt Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

Mit einem Staatsakt in der Wiener Staatsoper hat das offizielle Österreich am Montag den 100. Jahrestag der Ausrufung der Republik gefeiert. Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) legten dabei Bekenntnisse zu Rechtsstaat und Demokratie ab. Die Festrede hielt Autorin Maja Haderlap. Sie warnte vor einer Ökonomisierung der Gesellschaft.

"Es geht uns gut, aber die Zeichen der Zeit stehen auf Sturm", so die Schriftstellerin. "Gerade haben wir uns an den Errungenschaften des Wohlfahrtsstaates aufgerichtet, schon wird uns erklärt, dass wir endlich erwachsen werden und für uns selbst sorgen sollen." Angelpunkt der Demokratie sei aber nicht der ökonomische Mensch, sondern das ethisch handelnde Individuum.

Die Fragen der Zukunft würden humaner und ökologischer Natur sein, zeigte sich Haderlap überzeugt. Sie zitierte Oskar Kokoschka und wünschte der "immer noch jungen Republik Österreich" im geeinten Europa einen Instinkt für Demokratie.

Haderlap begrüßt Strache nicht

Dass sie als Rednerin ausgewählt worden sei, bezeichnete sie als "erstaunliche, kühne Einladung, die mich ehrt, die mich aber auch in einen unerbittlichen Kreislauf aus Zweifeln geschleudert hat". Zu Beginn ihrer Rede begrüßte die Kärntner Slowenin zweisprachig die anwesenden Spitzenrepräsentanten des Landes, nicht aber FPÖ-Chef Vizekanzler Heinz-Christian Strache.

Eingerahmt wurde die Feierstunde von der Bundes- und Europahymne. Bundespräsident Van der Bellen erinnerte in seiner Rede an die anfängliche Skepsis und das Scheitern der Republik. Nach der NS-Herrschaft sei dann die Herstellung von Gemeinsamkeit im Mittelpunkt gestanden. "Erneuern wir diese Gemeinsamkeit, erneuern wir dieses spezifisch Österreichische", so sein Aufruf.

Nur die liberale Demokratie kenne das Ringen um gemeinsame Lösungen zum Wohle aller, meinte er weiter: "Es gibt keine Abkürzungen." Der Schaffung von Feindbildern, ob Muslime, Juden, Ausländer oder Sozialhilfeempfänger, erteilte er eine Absage. Die Demokratie müsse "kompromisslos gegenüber den Intoleranten" sein, so der Bundespräsident.

Kurz warnt vor Gewalt der Worte

Auch Kurz warnte vor der Gewalt der Worte, der in der Ersten Republik bald die Gewalt der Taten gefolgt sei. Er sprach von einem "viel geliebten Österreich", das nach 1945 entstanden sei und ein gesundes Selbstvertrauen entwickelt habe. Ausdrücklich begrüßte er jene jüdischen Holocaust-Überlebenden, die bei dem Staatsakt anwesend waren.

Strache bezeichnete die Zeit der Nazi-Herrschaft als "dunkelstes Kapitel unserer Geschichte". Die Verantwortung des "Niemals wieder!" gelte es zu leben. In der Schwerpunktsetzung seiner Rede wurden aber auch Unterschiede deutlich: So hob er vor allem die bürgerliche Revolution von 1848 als Startpunkt für den Weg zur Republik hervor, ebenso wie das Faktum, dass am 12. November 1918 Kommunisten versucht hätten, diese zu verhindern.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) wünschte der demokratischen Republik "multos annos" und warnte vor der Tolerierung von Parallelgesellschaften, die die staatliche Grundordnung ablehnten. Zu Wort meldete sich auch der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ), der als derzeitiges Oberhaupt der LH-Konferenz den "wesentlichen Anteil" der Länder an der Gründung der Republik hervorhob.

(APA)

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