Interpol: Ein Russe als neuer Weltgendarm?

Alexander Prokoptschuk, 57-jähriger Polizeigeneral aus Russland, gilt als Favorit für den Chefposten.
Alexander Prokoptschuk, 57-jähriger Polizeigeneral aus Russland, gilt als Favorit für den Chefposten.(c) imago/ITAR-TASS
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Alexander Prokoptschuk gilt als Favorit für das Chefamt der Polizeiorganisation. Stimmen aus den USA warnen vor ihm. Sein Bruder ist als Diplomat für die Ukraine tätig.

Moskau. Eine umstrittene Personalie wird zu einem Härtetest für die internationale Polizeiorganisation Interpol: Alexander Prokoptschuk, 57-jähriger Polizeigeneral aus Russland, gilt als Favorit für den Chefposten. Der neue Präsident wird heute von den Vertretern der Mitgliedsländer bei ihrer Generalversammlung in Dubai gewählt.

Über die mögliche Wahl des Russen ist eine Kontroverse entbrannt. Mehrere US-Senatoren warnten vor Prokoptschuk. Sollte der hochdekorierte Sicherheitsmann an die Spitze des Exekutivkomitees treten, werde er die Organisation zugunsten der Kreml-Politik missbrauchen, hieß es in einem offenen Brief an US-Präsident Donald Trump und die Interpol-Mitglieder. Auch russische Oppositionelle wie Alexej Nawalny äußerten sich gegen den früheren Komsomol-Aktivisten an der Spitze von Interpol.

Russland beklagte dagegen eine mutmaßliche Wahlbeeinflussung der USA. Die Vereinigten Staaten versuchten, „sich in einen Wahlprozess einzumischen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow gestern in Moskau. „Wie soll man das sonst nennen?“

Prokoptschuk stammt ursprünglich aus der Ukraine. Er wurde 1961 in Kiew geboren, wo er die Universität besuchte. 1986 übersiedelte er nach Moskau und machte im sowjetrussischen Staatsapparat Karriere, zunächst im Bildungsbereich, später im Innenministerium. Seit mehr als zehn Jahren ist er in leitender Funktion in der russischen Interpol-Vertretung tätig. Und seit 2016 ist er Vizepräsident von Interpol – der erste Russe in diesem hohen Amt. Bei der Wahl stimmten die Delegierten mit großer Mehrheit für ihn.

Brüder an gegensätzlichen Fronten

Nicht nur im Westen, auch in der Ukraine protestiert man gegen die Nominierung des Russen. Kiew droht mit einer Stilllegung seiner Mitgliedschaft. Dabei gibt es ein pikantes Detail: Prokoptschuks jüngerer Bruder Igor ist seit 2010 als ukrainischer Botschafter bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in Wien tätig. Das ukrainische Außenministerium bestätigte das Verwandtschaftsverhältnis. Man habe keinen Grund, an der Integrität des OSZE-Botschafters zu zweifeln, hieß es. Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland habe viele Familien getrennt. Zum „abtrünnigen“ Bruder hieß es: „Jeder trifft seine Wahl selbst und ist dafür verantwortlich.“

Interpol hatte zuletzt mit internen Problemen zu kämpfen. Der bisherige Präsident, der Chinese Meng Hongwei, wurde im September in seiner Heimat festgenommen. Er soll Bestechungsgelder angenommen haben und in illegale Aktivitäten verwickelt gewesen sein. Für den vakanten Chefposten steht unter anderem auch ein Kandidat aus Südkorea zur Wahl. Für welchen Kandidaten Österreich stimmen werde, wollte das Innenministerium nicht verraten. Nach Informationen der APA hat Innenminister Herbert Kickl den russischen Kandidaten Prokoptschuk bei seinem Besuch in Moskau unlängst persönlich getroffen.

Kosovo nicht aufgenommen

Auch eine andere Entscheidung der Polizeibehörde führte zu diplomatischen Spannungen. Der Kosovo wurde gestern nicht in die Organisation aufgenommen, da die notwendige Zweidrittelmehrheit nicht zustande kam. Neben Serbien stimmten Medienberichten zufolge Russland, Weißrussland, Spanien, Marokko, China und Venezuela gegen die Aufnahme. Diese Staaten erkennen wie auch Belgrad die Unabhängigkeit der ehemaligen serbischen Provinz nicht an.

Die Regierung in Prishtina zeigte sich „tief enttäuscht“, in Belgrad dagegen herrschte Freudenstimmung. Österreich hatte sich für die Aufnahme des Staatenneulings eingesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2018)

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