EVP-Spitzenkandidat verteidigt Viktor Orban

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Versöhnliche Töne regnete es gestern seitens des EVP-Chefs bei der EU-Wahl, Manfred Weber. Die ungarische Regierung sei konstruktiv. Die europäischen Sozialdemokraten sollten lieber in den eigenen Reihen aufräumen, sagte er. Und nannte pikante Beispiele.

Der EVP-Spitzenkandidat bei der EU-Wahl, Manfred Weber, hat gegenüber österreichischen Medien den Umstand verteidigt, dass die Fidesz-Partei des national-konservativen ungarischen Regierungschefs Viktor Orban immer noch Mitglied der EVP-Fraktion im EU-Parlament ist. "Wir haben im EU-Parlament ein Artikel 7-Verfahren gegen Ungarn aktiviert", erinnerte Weber. "Artikel 7 bedeutet auch Dialog".

Auch dass die ungarische Regierung dem in seiner Heimat wegen Korruption verurteilten Ex-Ministerpräsidenten Mazedoniens, Nikola Gruevski, Asyl gewähre, sei daher kein Grund, Orban vor die Tür der konservativen Fraktion im Europaparlament zu setzen, meinte der Politiker der bayerischen CSU sinngemäß in einem Gespräch mit der Tageszeitung "Kurier" (Donnerstag-Ausgabe), an dem auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) teilnahm. "Ich will keine weitere Spaltung Europas", so Weber.

Wunschliste an die Sozialdemokraten

"Wir in der EVP akzeptieren keinen Bruch von europäischen Grundrechten", argumentierte Weber. Daher sei es den Konservativen bei der Aktivierung von Artikel 7 auch nicht um Parteipolitik gegangen. "Ich würde mir das Gleiche bei den Sozialdemokraten wünschen. In der Slowakei und Malta sind Journalisten ermordet worden, die zu Mafia-Staat-Kontakten recherchiert haben. Und in Rumänien steht eine Ratspräsidentschaft bevor, wo der Staatspräsident sagt, die sozialdemokratische Regierung sei nicht vorbereitet drauf. Dort werden Anti-Korruptionsgesetze diskutiert, die Korruptionsermöglichungsgesetze sein könnten."

In der ORF-ZiB 2 sagte Weber, er erlebe die ungarische Regierung durchaus auch als konstruktive europäische Kraft. Sie stimme 95 Prozent der europäischen Beschlüsse zu. Zur Ablehnung von Migranten und Flüchtlingen seitens des Orban-Kabinetts, meinte der CSU-Politiker: "Auch Frankreich hat verbindliche Quoten abgelehnt."

Brexit als "Lose-lose-Situation"

Den "Brexit" bezeichnete der EVP-Kandidat für das Amt des Kommissionspräsidenten im "Kurier" als "Lose-lose-Situation". Wichtig sei aber: "Die Briten müssen ihre Rechnung zahlen, wenn sie austreten; wir wollen keine innerirische Grenze; und die wechselseitigen Bürgerrechte müssen gewährleistet sein. Alle drei Punkte sind abgearbeitet."

Er sehe "keine Chancen für Nachverhandlungen", meinte Weber im ORF-Fernsehen. Es sei ein fairer Vertragsentwurf. "Ich hoffe, dass die Briten so vernünftig sind, die Mehrheiten zustande zu bringen." Bezüglich einer möglichen Verschiebung des für Ende März 2019 vorgesehenen Austritts Großbritanniens aus der EU, hielt Weber fest: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Briten noch einmal an der Europawahl teilnehmen, die sind im Mai. Aber wer aus der EU rausgeht, kann nicht an der EU-Wahl teilnehmen."

Auf die Frage, ob die Briten noch einmal über einen Austritt aus der EU abstimmen sollten, weil es derzeit laut Umfragen eine Mehrheit gegen den Brexit geben würde, reagierte Weber gegenüber dem "Kurier" zurückhaltend: "Das ist eine nationale Frage. Uns wird ohnehin dauernd vorgeworfen, wir seien ein Zentralstaat in Europa, der alle zu irgendwas zwingt. Die Briten müssen ihren Weg selbst finden. Wenn sie diesen Weg gehen würden, wären unsere Türen jederzeit offen. Wir würden uns freuen, wenn sie umdrehen würden."

Angesichts des wirtschaftlichen und zunehmend politischen Chaos' in Großbritannien ist für Weber aber eine Botschaft für die Bürger der EU-27 wichtig: "Es ist tausendmal besser, Europa dort zu reformieren, wo es nicht funktioniert, als Europa zu verlassen."

"Es wird sich zeigen, wie das weitergeht"

Zu möglichen Kooperationspartnern nach der EU-Wahl erklärte Weber in der "ZiB 2", es werde keine Zusammenarbeit geben mit "Kräften, die Europa ablehnen". Dazu zählte der CSU-Politiker etwa die französischen Rechtspopulisten von Marine Le Pen (Rassemblement National/RN, früher: Front National). Bezüglich der Frage, inwieweit er die österreichische Regierungspartei FPÖ auch zu diesem Spektrum zähle, wollte sich der bayerische Politiker nicht festlegen: "Es wird sich zeigen, wie das weitergeht."

Kurz bekräftigte in dem Kurier-Interview, dass nach den EU-Wahlen im Mai 2019 die stärkste Fraktion im Europaparlament den Kommissionspräsidenten stellen sollte. Die Frage, ob dies auch im Fall eines Siegs der Rechtspopulisten gelte, meinte der ÖVP-Bundeskanzler, er habe "keine Angst vor der Bevölkerung": "Ich gehe nicht davon aus, dass die Rechtspopulisten gewinnen." Weber nahm am Mittwoch in Wien an einer von der österreichischen Ratspräsidentschaft initiierten EU-Konferenz gegen Antisemitismus und Antizionismus teil.

(APA/red.)

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