SPÖ will Umsatzsteuer bei Mieten abschaffen - Experten skeptisch

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Plattenbau in Lichtenberg Berlin 08 08 2018 Berlin Deutschland *** Plattenbau in Lichtenberg Berl(c) imago/photothek (Florian Gaertner/photothek.net)
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Laut Berechnungen bringt der Wegfall der Steuer mehr als eine Monatsmiete an Einsparungen. Experten hingegen glauben, dass die Streichung nicht bei den Mietern ankäme.

Die SPÖ sieht in den hohen und immer weiter steigenden Mieten eines der drängendsten Probleme. Deshalb fordert sie in einem - von der neuen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner beim Parteitag schon angesprochenen - Paket eine "kräftige" Senkung der Wohnkosten über drei Maßnahmen: Entfall der Mehrwertsteuer und Maklergebühren für Mieter sowie ein neues Universalmietrecht mit klaren Zu- und Abschlägen.

Die Mehrwertsteuer auf Mieten macht zehn Prozent aus. Ihre Streichung brächte einer durchschnittlichen Familie jährlich 1.065 Euro Einsparungen, also mehr als eine Monatsmiete. Und insgesamt beziffert die SPÖ die Entlastung für die Mieter mit einer Mrd. Euro. Weitere 15 Prozent weniger müssten Mieter laut SPÖ zahlen, wenn das - von der Partei schon lange geforderte - Universalmietrecht eingeführt wird. Es sollte ein "faires System der Mietpreisgestaltung mit nachvollziehbaren Zu- und Abschlägen für alle Mietwohnungen" bringen. Dritter Punkt ist, dass künftig nicht mehr Mieter, sondern Vermieter die Maklergebühren bezahlen sollen.

FPÖ-Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs lehnt die Forderung ab, die Mehrwertsteuer auf Mieten abzuschaffen. Dies würde bedeuten, das auch der Vorsteuerabzug wegfallen würde, womit sich die Kosten für den Wohnbau verteuern würden. Die Mietpreise würden sich damit nicht reduzieren, meinte Fuchs am Dienstag am Rande einer Pressekonferenz zum Umbau der Finanzverwaltung.

Steuersenkung ein "realitätsferner Vorschlag"

Auch der Thinktank Agenda Austria schlägt in die gleiche Kerbe. „Eine Senkung der Mehrwertsteuer für Mieten ist ein realitätsferner Vorschlag, der nichts an den Versäumnissen der Wohnungspolitik oder dem Trend der Urbanisierung ändert“, sagt Ökonom Lukas Sustala. „Im Gegenteil besteht die Gefahr, dass eine Steuerbefreiung die Kosten für den Bau von Wohnungen und deren Sanierung effektiv erhöht, wenn der Vorsteuerabzug abgeschafft wird.“

Auch andere Experten sehen die SPÖ-Forderung skeptisch. Finanzrechtsexperte Werner Doralt etwa meint, dass mit einer Befreiung der Mieten von der Mehrwertsteuer der Vorsteuerabzug aus den Betriebskosten, Sanierungsaufwendungen und Errichtungskosten verloren gehen würde, wie er im "Standard" erklärte. Bei Mietwohnungen würde daher eine USt-Befreiung nicht voll auf die Mieten durchschlagen. 

Experte: "Mieten würden per se steigen"

Ins gleiche Horn bläst Anton Holzapfel, Geschäftsführer beim Österreichischen Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI). "Für den Vermieter, der den Vorsteuerabzug verliert, wird es ja teurer und insofern muss er die Mieten neu kalkulieren", so der Experte im Ö1-"Morgenjournal" des ORF-Radio. Alle Waren und Dienstleistungen, die der Vermieter zuvor einkaufe, um die Wohnung zur Verfügung zu stellen, würden dann für den Vermieter teurer.

IHS-Experte Helmut Hofer geht überhaupt davon aus, dass "die Mieten per se steigen" würden. Denn, so argumentierte er im Radio, es könne durchaus passieren, dass der Großteil der Steuerreduktion zum Teil von den Vermietern beansprucht werde - nach dem Muster, der Wohnungsinteressent habe dann eh mehr Geld im Monat und müsse auch bereit sein mehr zu zahlen.

Wifo-Forscherin Margit Schratzenstaller monierte im "Kurier", dass Einzelmaßnahmen selten einen Sinn machen würden. Man müsse das Thema leistbares Wohnen umfassend bei der nächsten Steuerreform diskutieren. Sie meint, die Politik müsse vor allem den sozialen Wohnbau forcieren. Auch Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister hielte es für "sinnvoller, den sozialen Wohnbau zu forcieren" - nicht nur den kommunalen, sondern auch jenen über Genossenschaften, wie er in der Zeitung erklärte.

Einzig von der Arbeiterkammer kommt Unterstützung für den SPÖ-Vorschlag. Selbst bei einer Befreiung der Mieten von der Mehrwertsteuer könnte der Vorsteuerabzug in diesem Bereich aufrecht bleiben. Vorbild könnten etwa Ausnahmeregeln anderer Länder wie die echte Befreiung für Lebensmittel in Malta oder die echte Befreiung für Babykleidung in Großbritannien sein, erklärte die AK am Dienstag.

Mieten steigen stärker als Inflation

Die SPÖ hält Maßnahmen zur Entlastung der Mieter für dringend geboten. Denn die Mietpreise seien in den letzten Jahren stets stärker gewachsen als die Inflation. Seit 1998 haben sich die Mieten um 80 Prozent erhöht, die Inflation um 41 Prozent. Damit gebe eine Familie aus Innsbruck heute bereits 40 Prozent ihres Einkommens für die Miete aus. Und die Regierung, kritisiert die SPÖ, verschärfe das Problem. Mit der im Regierungsprogramm vorgesehenen Erhöhung der Lagezuschläge würden die Mieten in Gründerzeitvierteln zwischen sechs und 30 Prozent steigen; im Wiener Bezirk Landstraße könnte eine Mietwohnung um mehr als 3.000 Euro jährlich teurer werden.

Bei der Mehrwertsteuer sollte man nach Meinung der SPÖ ansetzen, weil von dieser mittlere und kleinere Einkommen im Verhältnis stärker belastet sind. Denn diese werden zum größten Teil für Wohnen und Konsumgüter ausgegeben. Und das Ziel der Sozialdemokraten ist, "die Wohnkosten kräftig zu senken, damit mehr zum Leben bleibt".

(APA)

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