Eisenbahner: Nach dem Streik ist vor der Verhandlung

Vida-Chef Roman Hebenstreit.
Vida-Chef Roman Hebenstreit.(c) Clemens Fabry
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Am Samstag verhandeln die Eisenbahner weiter. Die Gewerkschaft hat mit dem Warnstreik ihr Pulver verschossen. Eine Einigung ist also realistisch.

Wien. Eigentlich gibt es nur eine große Frage: Was passiert, wenn Gewerkschaft und Arbeitgeber wieder im Streit auseinandergehen? Stehen dann die Züge länger still – und nicht nur für zwei Stunden, an einem Montag zu Mittag, wenn sich Chaos und Ärger der Fahrgäste in Grenzen halten? Am Freitag versicherten jedenfalls beide Seiten, dass sie zu einem Abschluss bereit seien. „Ich gehe davon aus, dass wir vernünftige Verhandlungen haben werden“, sagt Roman Hebenstreit, Chef der Gewerkschaft Vida und oberster Betriebsrat bei den ÖBB, zur „Presse“. Der Ton ist nach dem Ausstand am Montag milder geworden. Man droht jetzt keine Kampfmaßnahmen mehr an, echauffiert sich nicht allzu sehr, gibt sich gesprächsbereit. Verständlich: Nach dem Warnstreik kommt der Streik, wie es Hebenstreit formuliert – dazwischen gibt es wenig. Zuletzt wurde bei der Bahn 2003 groß gestreikt. Es ging gegen ein neues Dienstrecht, die Pensionsreform wurde zumindest abgeschwächt.

Aktuell wäre ein unbefristeter Streik eher schwer zu argumentieren: Immerhin boten die Arbeitgeber bereits durchschnittlich 3,37 Prozent mehr Lohn, die Metaller schlossen mit 3,46 Prozent Plus ab. Hebenstreit nennt das Angebot eine „Kreativrechnung“, weil Einmalzahlungen einberechnet seien. Wenig ist es trotzdem nicht. Der Gewerkschaft geht es aber ohnehin um mehr als als bloße Zahlen. Sie will ein „großes Rahmenrechtspaket“ durchsetzen. Ein paar Auszüge: Einen Tag Sonderurlaub für ehrenamtliches Engagement, ein zusätzliches Jubiläumsgeld nach 15 Dienstjahren, die Möglichkeit für Beschäftigte, sich ihren Zeitausgleich selbst einzuteilen und ins Sabbatical zu gehen. Und schließlich die Vier-Tage-Woche – als Ausgleich für den Zwölf-Stunden-Tag.

„Streik war Teil des Drehbuchs“

In vielen Punkten machten die Arbeitgeber Zugeständnisse, sagt Thomas Scheiber, der für alle 60 österreichischen Bahnunternehmen verhandelt. Allein, Rechtsanspruch auf eine Vier-Tage-Woche könne es keinen geben, das sei für die Betriebe nicht zu organisieren. Am Freitagnachmittag wartete man in der Gewerkschaft noch auf ein neues Angebot der Arbeitgeber. Auf Basis dessen wird dann am Samstag ab 14 Uhr weiterverhandelt. Scheiber sagt aber auch, dass man in vielen Punkten bereits sehr auf die Gewerkschaft zugegangen sei, schon vor den Streiks. Der Verdacht liege nahe, dass die Gewerkschaft unbedingt streiken wollte: „Wenn ich mir die Dramaturgie anschaue, war das Teil des Drehbuchs.“ Diesen Vorwurf will Hebenstreit nicht gelten lassen. Das Angebot der Arbeitgeber sei einfach nicht gut genug gewesen.

Zuletzt schalteten sich schon Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) und ÖBB-Chef Andreas Matthä in die verfahrenen Verhandlungen ein. Das Angebot sei gut – für den Streik zeigten sie kein Verständnis. Im Vorjahr erhielten die Eisenbahner 2,1 Prozent mehr Lohn, 2016 waren es 1,6 Prozent. Die letzte Lohnerhöhung von mehr als drei Prozent gab es vor über zehn Jahren.

Beide Seiten stellten sich am Freitag auf lange Gespräche ein – mit positivem Ausgang: „Am Samstag verhandeln wir so lang, bis wir fertig sind“, sagt Vida-Chef Hebenstreit. Schließlich seien Eisenbahner Schichtarbeiter. „Wir können auch 27 Stunden verhandeln, wenn das nötig ist.“ Für Arbeitgebervertreter Scheiber geht es nicht nur um einen Abschluss für den Kollektivvertrag. „Sondern auch darum, zu zeigen, dass die Sozialpartnerschaft funktioniert.“ Er gibt sich etwas resigniert – die heutige ist schon die zehnte Verhandlungsrunde. „Zuversichtlich bin ich nicht. Aber ich denke, das Ganze muss jetzt ein Ende haben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2018)

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