Wo müde Lenker schlafen sollen

Ab und zu haben sich Lkw-Fahrer eine Nacht in einem echten Bett verdient, finden die EU-Verkehrsminister – und der EuGH.
Ab und zu haben sich Lkw-Fahrer eine Nacht in einem echten Bett verdient, finden die EU-Verkehrsminister – und der EuGH.(c) imago/Jochen Tack
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Ruhezeiten, Heimkehr, Lohn: Die EU-Verkehrsminister einigen sich auf Rechte für Lkw-Fahrer. Osteuropäische Frächter müssen mehr Regulierung und Kontrollen akzeptieren.

Wien. Sie führen ein Leben wie Nomaden, die Tage auf der Straße, die Nächte auf dem Rastplatz, fern ihrer Heimat: Lkw-Fahrer aus Osteuropa. Übermüdet und unterbezahlt seien sie, warnten die Gewerkschaften. Aber auch die Frächter in West-, Nord- und Südeuropa klagten über unfairen Wettbewerb. Die Transportunternehmer im Osten aber, die den grenzüberschreitenden Frachtverkehr in der EU längst dominieren, forderten mehr Freiheiten, weniger Gängelung und Bürokratie. Die Erwartungen an neue EU-Regeln für den Gütertransport gingen also diametral auseinander. In einer langen Nachtsitzung konnten sich die Verkehrsminister dennoch auf ein Paket einigen. Unterm Strich setzte sich der Westen durch, die Fahrer unter der Fahne von Billiglohnländern bekommen mehr Rechte. Aber auch der Osten geht nicht leer aus: Es gibt ein paar neue Spielräume. Oder Schlupflöcher.

Ruhezeiten. Für Verwirrung sorgte Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ), der als EU-Ratsvorsitzender für den Verkehr nach vollbrachter Tat ein „absolutes Kabinenschlafverbot ohne Ausnahme“ verkündete. Aber nein, die Trucker dürfen weiterhin im Führerhaus schlafen und müssen nicht auf Zelte oder Container ausweichen. Nur bei der wöchentlichen Zwei-Tages-Pause ist ihr Laster nun ausdrücklich tabu, damit sie sich ordentlich erholen können. Eine „Fleißaufgabe“, meint Vida-Gewerkschafter Karl Delfs zur „Presse“. Denn das habe der EuGH schon vor einem Jahr klargestellt. Nur haben sich so manche Länder bisher nicht daran gehalten. Freilich müssen sich die Fahrer nun einmal pro Woche auf Herbergssuche machen – und das schaffe eine „prekäre Situation“, erklärt Erik Wolf von der Wirtschaftskammer. „Brüssel hat gemeint, die Länder werden schon die Infrastruktur schaffen“, also zusätzliche Gästebetten an den Hauptrouten. „Aber das ist kein Geschäftsmodell, wenn die Zimmer nur am Wochenende belegt sind.“ Die Folge sei, dass die Lastwagen nun auf der Suche nach einer Schlafstatt durch Ortschaften irren – und „das will niemand“.

Heimkehrrecht. Alle drei bis vier Wochen dürfen die Lenker nun für sieben Tage nach Hause. Bisher waren sie zum Teil monatelang unterwegs, ohne ihre Familien zu sehen. Das soll künftig für keine Gesetzgebung mehr möglich sein.

Lohndumping. Das Erfolgsgeheimnis der osteuropäischen Frächter sind ihre niedrigen Personalkosten – jedenfalls, was die Sozialversicherungsbeiträge betrifft. Beim Entgelt aber gilt seit Frühjahr die Devise „gleicher Lohn für gleiche Leistung am gleichen Ort“ durch die neue Entsenderichtlinie. Sprich: Wenn ein aus Bulgarien entsandter Fahrer in Österreich im Einsatz ist, muss er Lohn auf österreichischem Niveau erhalten. Die Ost-Spediteure wollten eine Ausnahme für die Branche: In den ersten paar Tagen sollten ihre heimischen Niedriglöhne gelten. Das haben sie nicht durchgesetzt. Sehr wohl ausgenommen wird aber reiner Transit. Und der „bilaterale Handel“ – wenn es um nur eine Fracht vom Sitzland in ein anderes EU-Land geht. Wobei der Fahrer auf der Strecke sogar zusätzlich aufladen darf: je einmal auf der Hin- und Rückfahrt oder zweimal auf der (sonst leeren) Rückfahrt. Gewerkschafter Delfs wittert hier ein Schlupfloch. Sein Beispiel: Ein ungarischer Frächter soll eine Ladung von Österreich nach Dänemark bringen. Das wäre eine Entsendung. Aber wenn er „zwei Kilo Erdäpfel“ schon in Ungarn lädt und die eigentliche Fracht später „zusätzlich“ auflädt, darf er seinen Fahrer zum ungarischen Mini-Mindestlohn bezahlen. Aber: Noch stärker eingeschränkt wird die „Kabotage“ (wenn etwa der ungarische Frächter mehrere Aufträge innerhalb Österreichs abwickelt).

Automatische Kontrolle. Alle Regeln helfen nichts, wenn sie umgangen werden, durch manipulierte Zeitaufzeichnung oder gefälschte Frachtpapiere. Bisher war die Branche schwer zu kontrollieren. Das soll sich mit dem „smarten Tachografen“ ändern, der Grenzübertritte und (Ent)Ladevorgänge automatisch erfasst. Die Osteuropäer wollten seine Einführung so lang wie möglich herauszögern. Jetzt kommt er schon bald: ab 2019 für neue Fahrzeuge, ab 2025 für alle Brummis auf Europas Straßen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2018)

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