In der polnischen Stadt Imielin will Polens größte Bergbaugesellschaft direkt unter dem Stadtzentrum Kohle abbauen. Auf dem Klimagipfel in Katowice wurde am Freitagabend noch um einen Abschlusstext gefeilscht.
Katowice/Imielin. „Wir sollten eigentlich von der Kohle weg, aber hier werden im großen Stil neue Abbaustollen geplant“, sagt Tomasz Lamik von der Bürgeriniative Unser Imielin. Der frühere Stadtratsvorsitzende hat mit Maria Janusz, der rechten Hand des Bürgermeisters, Karten ausgebreitet und Ordner voller Gutachten und Einsprüche hervorgezogen. Durch das Fenster ist die schmucke, bald hundertjährige Kirche von Imielin zu sehen. Dass auch sie bald dem Raubbau zum Opfer fallen könnte, erbost Maria Janusz am meisten.
Zwischen 2019 und 2026 möchte Polens größte Bergbaugesellschaft PGG, paradoxerweise einer der strategischen Sponsoren des UNO-Klimagipfels COP24 im nahen Katowice, in nur 180 Metern Tiefe direkt unter dem Stadtzentrum Kohle abbauen, die noch in den Sechzigerjahren als minderwertig eingeschätzt worden war. Dabei soll eine besonders billige Abbaumethode angewendet werden, bei der die abgeräumten Stollen nicht mehr wie früher zur Stabilisierung mit Sand gefüllt werden, sondern einfach zusammenbrechen. Bedroht davon sind laut der Stadtverwaltung von Imielin 60 Prozent der Bausubstanz, darunter Schulen, das Kulturhaus und viele kleinere Mehrfamilienhäuser. „Der Boden soll sich laut PGG um bis zu sechs Meter absenken, doch unabhängige Geologen sprechen von neun oder mehr Metern“, klagt Lamik. Mit zwei weiteren Bürgerinitiativen hat er deshalb am vergangenen Wochenende in Katowice am sogenannten Klimamarsch teilgenommen. Rund 1200 Bürger von Imielin hätten im Vorjahr einen Protestbrief gegen die vorläufige Abbaubewilligung unterzeichnet. Inzwischen hat die Stadt gegen die Umweltbehörden des Verwaltungsbezirks Schlesien in Warschau geklagt. Dennoch rechnet „Nasz Imielin“ damit, dass das Umweltministerium am Ende der PGG die Abbau-Konzession gewähren wird. In einem Gutachten zugunsten der Kohlelobby sei die Sprache von „Partikularinteressen“, die den „nationalen Interessen“ entgegenstehen würden.
Warten auf den Abschlusstext
In Katowice wurde derweil den ganzen Freitag weiter über einen Abschlusstext des Klimagipfels gestritten. Die Konferenz sollte eigentlich um 17 Uhr zu Ende gehen. Doch die polnische Klimagipfel-Präsidentschaft hatte einen ersten eigenen Entwurf mit mehrstündiger Verspätung erst am sehr frühen Freitagmorgen überhaupt eingereicht. Umweltorganisationen kritisierten diesen ersten Text als „viel zu schwach“. Die großen Produzenten fossiler Brennstoffe, allen voran die USA, Russland, Saudiarabien und Kuwait wiederum störten sich an einer Formulierung, die den neusten Bericht des UNO-Klimasekretariats IPCC willkommen heißt. Dieser setzt die maximal tolerierbare Erderwärmung per Ende des Jahrhunderts mit 1,5 Grad Celsius statt mit den in Paris beschlossenen zwei Grad Celsius an und fordert konsequente zusätzliche Anstrengungen.
Am Freitagabend waren Dutzende politische und technische Fragen offen. So gab es noch keine Einigkeit zur Überprüfung der nationalen Zusagen zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes. Auch bei den Entschädigungen der Industriestaaten für bereits eingetretene Klimaschäden an die Entwicklungsländer war noch kein Durchbruch erreicht. Mehrere Delegationen sprachen zudem von einer Sackgasse beim Emissionshandel, bei dem sich Brasilien zu keinerlei Konzessionen bereit zeigte.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2018)