VfGH: Oberösterreichs Mindestsicherung erfüllt Gleichheitsgrundsatz im Wesentlichen

Die Presse
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Das Höchstgericht sah nur in einem Punkt des Gesetzes eine Verfassungswidrigkeit. Die burgenländische Regelung der Mindestsicherung wurde indes aufgehoben.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) teilte am Montagabend mit, dass er die oberösterreichische Regelung der Mindestsicherung in weiten Teilen bestätigt hat. Sie trage dem Gleichheitsgrundsatz im Wesentlichen Rechnung. Denn anders als im - im März aufgehobenen - niederösterreichischen Gesetz sei trotz grundsätzlichem Deckel von 1512 Euro pro Person ein bestimmter Betrag vorgesehen.

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Die Anträge des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich wurden deshalb weitgehend abgewiesen. Nur einen Absatz des Mindestsicherungsgesetzes erachteten die Höchstrichter als verfassungswidrig - nämlich die Bestimmung, dass bei Berechnung der Summe der Mindeststandards in einem Haushalt auch Personen mit einem fiktiven Mindeststandard zu berücksichtigen sind, die keinen Antrag gestellt haben oder keinen Anspruch haben. Dadurch würden diese Haushalte gegenüber solchen mit anspruchsberechtigten Personen ohne sachlichen Grund benachteiligt.

Unterschied zur niederösterreichischen Regelung

Keinen Verstoß gegen die Verfassung sieht der VfGH hingegen darin, dass die oberösterreichische Mindestsicherung gedeckelt ist, also jeder Haushalt grundsätzlich nicht mehr als 1512 Euro bekommt - weil dies, anders als in der niederösterreichischen Regelung, nicht unabhängig von der Zahl der Personen als fixer Betrag dargestellt ist.

In Oberösterreich seien bei größeren Familien oder Bedarfsgemeinschaften die Mindeststandards aller Personen gleichmäßig prozentuell zu kürzen. Dabei müssten aber bestimmte Untergrenzen beachtet werden: Bei minderjährigen Unterhaltsberechtigten zwölf Prozent, bei volljährigen Anspruchsberechtigten 30 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes. Für jede weitere zu einem Haushalt hinzutretende Person sei in jedem Fall ein bestimmter Betrag anzusetzen - und das führe dazu, dass der vorgesehene Betrag ab einer gewissen Haushaltsgröße um einen bestimmten Betrag zu erhöhen ist, führt der VfGH aus.

Diese Regelung - Pauschalbetrag, aber in Verbindung mit einer nicht unterschreitbaren richtsatzmäßigen Leistung für jede weitere hinzukommende Person - werde dem Zweck der Mindestsicherung gleichheitssatzkonform Rechnung getragen, nämlich Vermeidung und Bekämpfung sozialer Notlagen. Dies umso mehr, als für Kinder zusätzlich der Grundbetrag der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag berücksichtigt werden könnten.

Die niederösterreichische Regelung hatte der VfGH mit der Begründung aufgehoben, dass das Gesetz eine einzelfallbezogene und damit sachliche Bedarfsprüfung verhindere.

Burgenländische Regelung verfassungswidrig

Die burgenländische Regelung für den Bezug der Mindestsicherung wurde indes vom VfGH aufgehoben. Die anders als in Oberösterreich vorgesehene Wartefrist und die Deckelung seien verfassungswidrig, teilte der VfGH am Dienstag in einer Aussendung mit.

Die burgenländische Regelung sah eine Decklung der Mindestsicherung pro Haushalt in der Höhe von 1500 Euro pro Haushalt unabhängig von der Haushaltsgröße vor, ohne einen bestimmten Mindestbetrag für hinzutretende Personen. Die Deckelung entsprach damit im wesentlichen der niederösterreichischen Regelung. Selbst wenn die Lebenserhaltungskosten pro Person bei zunehmender Größe des Haushalts abnehmen mögen, sei nämlich pro weiterer Person ein Aufwand in einiger Höhe erforderlich, hieß es. Die Bestimmung für eine Deckelung sei daher verfassungswidrig.

Regelung in Bezug auf Asylberechtigte "unsachlich"

Dies gilt auch für die Wartefrist: Wer sich nicht innerhalb der letzten sechs Jahre mindestens fünf Jahre in Österreich aufgehalten hat, erhält demgemäß der "Mindeststandards-Integration" eine geringere Leistung. Der VfGH kam zum Ergebnis, dass diese Wartefrist zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung österreichischer Staatsbürger untereinander, je nach Aufenthaltsdauer in Österreich innerhalb der letzten sechs Jahre, führt.

Die Regelung sei auch bezüglich Asylberechtigte unsachlich, da diese ihr Herkunftsland wegen "wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden", verlassen mussten. Asylberechtigte dürften daher nicht mit jenen gleichgestellt werden, denen es frei steht, in ihren Herkunftsstaat zurückzukehren - etwa EU-Bürger.

Die Differenzierung der Höhe der Mindestsicherung nach der bloßen Aufenthaltsdauer in Österreich kann auch nicht mit einem Anreiz zur Arbeitsaufnahme begründet werden, da der bloße Aufenthalt im In-oder Ausland keinen Rückschluss auf die Arbeitswilligkeit einer Person zulässt.

(APA)

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