Das Nackedei vom Zauberberg

„Skandal!“, schreit es vom Semmering hinunter ins Tal.

„Skandal!“, schreit es vom Semmering hinunter ins Tal. Ein Beben hat den Zauberberg erfasst, und das Raunen zieht sich von der Rax bis zu den Zweithausbesitzern in den Wiener Villenvororten. Arthur Schnitzler und Olga Waissnix, seine Traumfrau, hätten gewiss ihren hellen Jux an der neuen Prüderie, der sich am Plakat des Christian Ludwig Attersee (CLA) für die Weltcup-Damenskirennen zur Jahreswende am Hirschenkogel entzündet hat.

Eine Pistenflitzerin in lasziv-traumwandlerischer Wedelpose, ein Nackedei am Zauberberg: „Darf das sein?“, fragen Moralisten, so als wären wir im Fin de Siècle anno 1900 eingefroren. Ein „patschertes Skihaserl“ nennt eine Ex-Skifahrerin die Abbildung. Der Malerfürst wiederum betrachtet sein Poster in der Tradition des „Brüste-Weisens“ als offensiven Akt gegen die Männerwelt. Und so entspinnt sich eine Kulturkontroverse in schönster österreichischer Manier, hämisch beäugt vom deutschen Feuilleton.

Man mag einwenden, dass sich CLA in einem fremden Element umtut. Als mehrfacher Segelmeister ist das Wasser ja sein Metier und der Attersee – dem er den Namen entlehnt hat – Revier und zugleich Inspirationsquelle wie einst für Gustav Klimt, den großen Erotomanen. Nur: Was ist Schnee aus Kanonen am Semmering schon anderes als zu fester Materie gewordenes Wasser? (vier)

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2018)

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