Bauer geschützt, Kunde zahlt?

Neue Regeln im Supermarkt. Der Bauer wird geschützt – aber nicht nur er.
Neue Regeln im Supermarkt. Der Bauer wird geschützt – aber nicht nur er.(c) Clemens Fabry
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Ein brisantes EU-Gesetz ist fix: Es sollte eigentlich nur kleine Bauern vor großen Handelsketten schützen. Nun schützt es auch Konzerne. Den Preis könnten die Konsumenten zahlen.

Wien. Es war eine lange Nacht in Brüssel. Nicht nur wegen des prominenten Verbots von Wattestäbchen und anderem Einwegplastik. Parallel – und deutlich weniger prominent – einigten sich die Abgeordneten auf eine Richtlinie, die am Mittwoch hinter den Kulissen die Wogen im österreichischen Lebensmittelhandel hochgehen ließ.

Auch sie wird seit Monaten diskutiert: Es geht um den Schutz kleiner landwirtschaftlicher Betriebe vor unfairen Deals mit den übermächtigen Lebensmittelhandelsketten. In Österreich mit seiner hohen Marktkonzentration ist die Frage nach der Schieflage in den Verhandlungen höchst relevant: Die größten drei Ketten Spar, Rewe und Hofer halten gemeinsam rund 84 Prozent des Markts. Da bleiben Produzenten wenige Ausweichmöglichkeiten, wenn ihnen ein Angebot nicht gefällt.

Guter Wille

Die Großen wollten jüngst zeigen, dass sie gar nicht so böse sind, wie es ihnen von den Erzeugern immer wieder vorgeworfen wird. Sie verpflichteten sich Ende November freiwillig zu einem „Fairnesskatalog“. Aufgezwungene Gebühren für einen Platz im Regal und rückwirkend einseitige Vertragsänderungen zum Nachteil der Bauern seien damit Vergangenheit. Kontrolliert wird das von einer neuen Ombudsstelle.

Der Lebensmittelhandel war mit dem Pakt unter der Schirmherrschaft von ÖVP-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger zufrieden. Umso erzürnter war die Branche, als Köstinger, diesmal in ihrer Rolle als EU-Ratspräsidentin, das EU–Gesetz vor Weihnachten unerwartet noch in trockene Tücher brachte – und mit für die Konzerne unerfreulichem Inhalt: Anders als in der Ursprungsversion sind nicht nur Bauern mit höchstens 50 Mio. Euro Umsatz vor der Macht der Lebensmittelhändler geschützt, sondern alle Landwirte und Erzeugerbetriebe mit bis zu 350 Mio. Euro Umsatz. „Das ist eine Katastrophe“, sagt Handelsverband-Chef Rainer Will, der die sechs großen österreichischen Ketten vertritt. Große Molkereien und Markenhersteller mit höheren Gewinnmargen als der Handel selbst würden wie Klein- und Mittelunternehmen behandelt. „Das gibt 99 Prozent aller Lieferanten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Handel.“

Die Aufregung verstehe er nicht, sagt Daniel Kosak, Sprecher von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger. „Österreich ist kleinstrukturiert und es war das Ziel, alle vor dem Oligopol im Handel zu schützen.“ Und es habe schließlich bereits im November diese freiwillige Verpflichtung der Händler mit demselben Inhalt gegeben.

Darüber herrschte nach der Einigung in Österreich bis am späten Nachmittag Unklarheit. Nur Teile des Katalogs mit den verbotenen, unfairen Praktiken waren bekannt. Verspätete Zahlungen für verderbliche Produkte, Stornierungen in letzter Minute, einseitige Änderungen des Vertrags zum Schaden des Produzenten soll es etwa nicht mehr geben. Auch der Missbrauch vertraulicher Informationen, Vergeltungsmaßnahmen und Drohungen gegen Lieferanten werden untersagt. Sonst kann der Erzeuger klagen.

„Es braucht Regeln“

Noch sei nicht absehbar, was das für den Kunden bedeutet, sagt Will. Sofern die Verbote nicht über ihre Selbstverpflichtung hinausschieße, bleibe alles beim Alten. Wenn doch, würden die Hersteller gewinnen – auf Kosten der Kunden. Kosak verneint: Steigende Preise für den Konsumenten könnten nicht die Folge sein. „Im Umkehrschluss würde das heißen, dass die bisherigen Konsumentenpreise am Rücken der Bauern stattfinden.“ Jüngste Klagen von Bauern gegen Handelsketten zeigten, dass es „Regeln braucht und die Prozesse transparent gestaltet werden müssen.“

Sollte die Gesetzesänderung im Supermarktregal ankommen, werden Kunden sie nicht so schnell spüren. Die Richtlinie ist zwar fix, muss aber noch formell bestätigt und im österreichischen Recht umgesetzt werden. Und das ist laut Kosak 2021 der Fall.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2018)

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