Schweizer TV: Kleine Geschenke o.k.

Schweizer Kleine Geschenke
Schweizer Kleine Geschenke(c) APA (ROBERT JAEGER)
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ORF-Finanzdirektor Grasl will Geldflüsse transparent machen.

Wir zeigen zum Beispiel nicht die Brücke, von der sich jemand in den Tod gestürzt hat.“ Das Schweizer Fernsehen (SF) ist mit seinen „Publizistischen Leitlinien“ für alle Eventualitäten gerüstet: sei es, dass „Kantinengossip über SF-Mitarbeiter, zu dem wir sozusagen einen Insiderzugang haben“, verifiziert werden muss; sei es, dass ein „journalistischer Überfall“ (Spontaninterview) zulässig, „Klinkenputzen“ (mit Kamera vor der Tür warten) hingegen problematisch ist.

Minuziös und anhand konkreter Beispielfälle listet der Rundfunk der Eidgenossen auf knapp fünfzig Seiten (exklusive Anhang) auf, was seine Mitarbeiter dürfen oder nicht– etwa auch: „Zulässig ist eine Entschädigung für Spesen und für die Zeit, die Informanten zur Unterrichtung oder Begleitung der Journalisten aufwenden.“ Relativ oberflächlich und abstrakt lesen sich im Vergleich zu denen des SF die „Programmrichtlinien“ des ORF: Als einer der „Gestaltungsgrundsätze für Informationssendungen“ liest sich der grotesk anmutende Satz: „Objektiv berichtet jedenfalls, wer ein zutreffendes Bild der Wirklichkeit zeichnet.“

Anlässlich der Aufregung um die Recherche- und Inszenierungsmethoden hat sich die „Presse“ bei anderen öffentlich-rechtlichen Sendern erkundigt, wie dort mit Informanten umgegangen wird. Das ZDF teilte mit: „Bei Dreharbeiten zu Reportagen werden keine Vorfälle inszeniert“, entgolten werde lediglich ein eventueller Verdienstausfall. Auch Reisekosten werden bezahlt.

Beim Schweizer Fernsehen hingegen sind sogar „kleine Geschenke (Bücher, Wein)“ für Informanten zulässig. Ob darunter allerdings auch NS-Devotionalien fallen? Um die ORF-Gebührengeldflüsse nun transparent zu machen, hat Finanzdirektor Richard Grasl eine interne Untersuchung angeordnet: Alle Aufwendungen der vergangenen beiden Jahre für „Rechteübertragungen“, „Aufwandsentschädigungen“ und „Sonstiges“ im Zusammenhang mit Informanten lässt Grasl ausheben, sagte er der „Presse“ am Montag. Mit den Unterlagen rechnet er bis 9. April, voraussichtlich rechtzeitig zur Sondersitzung des Publikumsrats.

ORF: Anzeige gegen unbekannt

Der ORF hat am Montag außerdem Anzeige gegen unbekannt erstattet: Grund dafür seien kursierende Aktenteile. Nach Ansicht des ORF wurden die zu einem Zeitpunkt weitergegeben, als es noch keine Privatbeteiligten gegeben habe, hieß es. Jetzt gelte es zu klären, ob es eine undichte Stelle bei den Behörden gab. Die „Schauplatz“-Protagonisten haben am Wochenende in Interviews betont, unter Polizeidruck ausgesagt zu haben.

„Am Schauplatz“-Chef Christian Schüller war am Montag zu Gast im „Presse“-Chat. Dort sprach er sich gegen die politische Vereinnahmung seiner Sendung aus.

Siehe auch: diepresse.com/schauplatz

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2010)

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