Der Shutdown könne Monate, ja, Jahre dauern, droht der US-Präsident. Die Auseinandersetzung zwischen Donald Trump und Nancy Pelosi wird dessen zweite Amtshälfte prägen.
Wien/Washington. Die Höflichkeiten zwischen dem Präsidenten und der „Madam Speaker“ im Zuge der Konstituierung des Kongresses waren vorbei. Donald Trump nennt seine Gegenspielerin, die Führerin des Repräsentantenhauses, jovial und gewohnheitsmäßig bei ihrem Vornamen: Nancy. Trump hat dafür erstmals die Bühne des Briefing Room des Weißen Hauses benutzt, um Nancy Pelosi im Kapitol, dem zweiten Machtzentrum Washingtons an der Pennsylvania Avenue, bei der Angelobungszeremonie nicht die Show zu überlassen. Er attestierte ihr „enorme Leistung“.
Ob sich die 78-Jährige vom ungewohnten Lob und Charme des Präsidenten einwickeln lässt, ist aber zweifelhaft. Pelosi gilt als zäh und eisern. „Sie wird dir den Kopf abschneiden, und du merkst nicht einmal, dass du blutest.“ So charakterisierte jüngst Alexandra Pelosi in einem CNN-Interview ihre Mutter. Die Dokumentarfilmerin begleitete für den Film „Journeys with George“ einst George W. Bush in der Air Force One. Dies waren die Vorzeichen für das neuerliche Treffen Trumps mit Pelosi und Chuck Schumer, dem Spitzenduo der Demokraten, im Weißen Haus – und es war ein Flop.
Eskalation und Drohung
Statt einem Durchbruch in der Haushaltskrise brachte es eine rhetorische Eskalation und Drohungen. Der Präsident ging so weit, vor einer einjährigen Haushaltssperre zu warnen, was indessen einem Staatsnotstand gleichkäme. Der Shutdown könne Monate, ja, Jahre dauern, berichteten Pelosi und Schumer ein wenig entgeistert von ihrem Gerspräch im Oval Offie, wo Trump vor vier Wochen eine denkwürdige Vorstellung abgeliefert hatte. Vor laufenden Kameras schwadronierte er damals über die Notwendigkeit eines Mauerbaus und Grenzschutzes. „Ich wäre stolz, wegen der nationalen Sicherheit einen Shutdown auszulösen.“
Inzwischen geht die partielle Stilllegung der Regierungsarbeit, die drittlängste in der US-Geschichte, in die dritte Woche, und die Amerikaner verlieren die Geduld. Es ist die erste Machtprobe einer Auseinandersetzung, die Trumps zweite Amtshälfte mitbestimmen wird. Die Positionen stehen einander unverrückbar gegenüber. „Die Mauer wird kommen“, dröhnte Donald Trump in der Aufmachung der Serie „Game of Thrones“ in den sozialen Medien.
Trump beharrt auf einer Tranche von fünf Milliarden Dollar für den Mauerbau. „Ihr könnt es Barriere nennen. Ihr könnt es nennen, wie ihr wollt. Wesentlich ist, dass wir unser Land schützen müssen.“ Ex-Stabschef John Kelly hatte in einem Abschiedsinterview eingestanden, intern schon früh den Terminus „Mauer“ fallen gelassen zu haben.
„Hurensohn“ Trump
„Wir bauen keine Mauer“, konterte Pelosi. „Eine Mauer ist eine Unsittlichkeit zwischen Ländern, ein Zeichen für überkommenes Denken.“ In der Antrittsrede hatte sie geschworen, trotz aller Differenzen auf die Gegenseite zuzugehen. Rashida Tlaib, die Neo-Abgeordnete mit palästinensischen Wurzeln, konterkarierte das Vorhaben. Sie sprach bei einer Feier von einem Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten und schimpfte Trump einen „Hurensohn“.
In Washington kursiert derweil der Name eines Demokraten als Nachfolger für den entlassenen Verteidigungsminister James Mattis. Demnach hat Vizepräsident Mike Pence die Fühler nach Jim Webb ausgestreckt, einem Ex-Senator, Vietnam-Veteranen und Autor, der schon unter Ronald Reagan als Staatssekretär im Pentagon gedient hat.
AUF EINEN BLICK
Shutdown bezeichnet die teilweise Stilllegung der Regierungsaktivitäten, weil die Finanzierung für Ministerien und Ämter nicht mehr sichergestellt ist. Der längste Shutdown ereignete sich in der Ära Bill Clinton zum Jahreswechsel 1995/1996, der sich über drei Wochen erstreckte. Im Jahr 2013 war die Regierungsarbeit unter Barack Obama 17 Tage lang lahmgelegt. Der jüngste Shutdown begann am 22. Dezember.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2019)