Als Finanzminister hat Alexej Kudrin Russland vor dem Absturz gerettet. Als Chef des Rechnungshofs deckt er die Ineffizienzen im System auf. Und als Kopf des liberalen Lagers fährt er den Hardlinern in die Parade. Wer ist der Mann, der selbst Putin vor den Kopf stoßen darf?
Wo und wann auch immer sich das „Who is Who“ der russischen Wirtschaft und Politik zum Meinungsaustausch trifft, ist er nicht weit. Saust bei allen großen Veranstaltungen von Panel zu Panel, als wäre er Regierungschef. Doziert im Kreise des Establishments zu allen Fragen der Zeit im Allgemeinen und der Wirtschaft im Besonderen mit selbstbewusster Pose, wie sie sonst nur Kremlchef Wladimir Putin an den Tag legt und legen darf. Ist ständig umringt von Journalisten. Und scheint generell angesichts der Tatsache, dass er schon drei Jahrzehnte lang Putins Weg begleitet, maximale Freiheit bei der Äußerung seiner – meist wirtschaftsliberalen und prowestlichen bis regimekritischen – Positionen zu haben.
Sein Name: Alexej Kudrin. Seine offiziellen Posten: Finanzminister und mehrmals Vizeregierungschef im Riesenreich von 2000 bis 2011, Autor eines wirtschaftlichen Strategieprogramms für den Kreml, seit Mitte des vergangenen Jahres Leiter des russischen Rechnungshofes und seit Langem Kopf des liberalen Lagers im Establishment.
Sein Schicksal: Man hört ihm zwar aufmerksam zu, weil er die Zustände im Land wie sonst nur ein Fundamentaloppositioneller vom Zuschnitt des Kremlschrecks Alexej Nawalny aufdeckt und vor katastrophalen Entwicklungen warnt. Aber man handelt dann doch nicht sichtbar nach seinem Rat – oder nur sehr dosiert.