Bundesverwaltungsgericht: Vier von fünf Fällen betreffen Asyl

Justizminister Josef Moser sieht sich am Bundesverwaltungsgericht mit vielen offenen Verfahren konfrontiert.
Justizminister Josef Moser sieht sich am Bundesverwaltungsgericht mit vielen offenen Verfahren konfrontiert.APA
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Seit fünf Jahren gibt es das Bundesverwaltungsgericht. Der Rucksack an offenen Fällen wurde größer. Minister Moser fordert genug Personal, sonst werde die Angelegenheit noch teurer.

Wien. Als das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im Jahr 2014 seine Arbeit aufnahm, hatte es rund 20.000 Verfahren pro Jahr zu bewältigen. Nun sind es etwa doppelt so viele. Das geht aus den am Mittwoch vom Justizministerium veröffentlichten Zahlen hervor.

Augenscheinlich ist der Anstieg bei Asyl- und Fremdenrechtsfällen. Sie machten im Vorjahr bereits rund 80 Prozent der Verfahren aus. Dieser Trend hatte sich bereits in den Vorjahren gezeigt, er dürfte auf die starke Migrationsbewegung im Jahr 2015 zurückgehen. Nach einer abweisenden Entscheidung der Behörden ist das BVwG das erste Gericht, zu dem ein Asylwerber kommt.

Das größte Problem ist aber der Rucksack an offenen Fällen, den das Gericht mit sich trägt. So fielen im Vorjahr 38.318 neue Verfahren an (siehe Grafik), die Zahl aller offenen Verfahren betrug Ende des Jahres 40.600.

Das Justizministerium, seit dem Jahr 2018 statt des Kanzleramts für das BVwG zuständig, will die Entwicklung nicht hinnehmen. Minister Josef Moser verweist gegenüber der „Presse“ zwar darauf, dass durch eingeleitete Maßnahmen auch die Erledigungszahlen gestiegen seien. „Trotz dieser wichtigen Vorkehrungen und der damit verbundenen Verfahrensbeschleunigungen steht das Gericht nun an der Grenze seiner Belastbarkeit“, warnt Moser aber.

Mehr Fälle durch Asyl auf Zeit?

Sein Problem: In der Vergangenheit war dem Gericht mehr Personal zugestanden worden, als im Stellenplan vorgesehen ist, damit die Fälle abgearbeitet werden können. Doch dieses Mehr an Stellen muss nach der bisherigen Abmachung heuer schrittweise wieder zurückgebaut werden. Gleichzeitig wird heuer die noch unter der rot-schwarzen Regierung unter dem Schlagwort „Asyl auf Zeit“ eingeführte Neuerung relevant.

Dabei wird nach drei Jahren noch einmal überprüft, ob ein Asylberechtigter diesen Status behalten darf. Mehr Aberkennungsverfahren würden auch mehr Gerichtsfälle bedeuten.

„Um die steigende Anzahl der offenen Verfahren schnellstmöglich abarbeiten zu können, brauchen wir jetzt das notwendige Personal – sei es durch neue Planstellen oder Umschichtungen aus anderen Bereichen“, warnt Moser. Denn „je rascher wir die offenen Verfahren abarbeiten, desto mehr Geld sparen wir dem Steuerzahler“, meint der Minister.

Als problematisch sieht man es im Justizministerium an, dass der Anstieg des Personals im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) deutlich stärker ausgefallen ist als am Verwaltungsgericht. Das erhöhe das personelle Ungleichgewicht zwischen den Institutionen. Das BFA, es liegt in der Zuständigkeit von Innenminister Herbert Kickl, entscheidet per Bescheid über Asyl, danach können sich Asylwerber ans BVwG wenden.

Noch Lehrgeld bezahlt

Doch wie ist das BVwG abseits der Belastungsprobleme nach einem halben Jahrzehnt zu beurteilen? Unbestritten war die Einrichtung der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit (neben dem BVwG gibt es noch das Bundesfinanzgericht und neun Landesverwaltungsgerichte) ein rechtsstaatlicher Fortschritt. Entschieden zuvor rund 120 Sonderbehörden über Beschwerden, kommt man nun zu hauptberuflichen Richtern.

Der Einfluss der Politik auf Entscheidungen wurde dadurch eingebremst, wenngleich bei den Richterbestellungen oft Leute aus dem Umfeld der gerade regierenden Parteien zum Zug kamen.

Inhaltlich musste das BVwG manchmal noch Lehrgeld bezahlen. So betonte der Verfassungsgerichtshof etwa im Streit um den Wiener Flughafen, dass das vorinstanzliche BVwG die Rechtslage grob verkannt habe, als es unter Berufung auf den Klimaschutz gegen die dritte Piste entschied.

Immer wieder ein Thema ist auch, dass die Verwaltungsrichter keine lange Richterausbildung wie ihre Kollegen in der Zivil- und Strafjustiz haben. Stattdessen waren sie zuvor oft in der Verwaltung tätig. Befürworter dieses Modells betonen aber, dass die Erfahrung in der Verwaltungspraxis für Richter des BVwG wichtiger sei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2019)

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