Die größte europäische Billigairline baut ihr Geschäft um, um die Kosten noch weiter zu senken. Im Winterquartal gab es einen Verlust.
Dublin. Er ist für jede Provokation gut und lässt keinen Konflikt aus. Das vergangene Jahr war aber das härteste im 34jährigen Bestehen von Ryanair, was auch deren Gründer und Boss Michael O'Leary zum Umdenken veranlasst haben dürfte. Erstmals musste der Unternehmer, der nicht gerade als Softie im Umgang mit seinen Mitarbeitern gilt, nach heftigem Druck und etlichen Streiks der Belegschaft Gewerkschaften anerkennen. Außerdem läuft das Geschäft nicht mehr so rund.
Am Montag gab die größte europäische Billig-Airline bekannt, dass sich O'Leary aus dem Tagesgeschäft zurückzieht, seinen Posten als Chief Executive Officer (CEO) aufgibt. Der Ire, der von Anfang an das prägende „Gesicht“ der Airline war und dem Billig-Sektor einen neuen Stellenwert in der europäischen Luftfahrt gab, wird Chef der Holding der neu strukturierten Airline-Gruppe. In dieser Funktion soll er sich vor allem um die Strategie kümmern. O'Leary stimmte einer Vertragsverlängerung um fünf Jahre zu, er erhält weniger Gehalt und Bonus.
Ryanair soll eine Gruppe mit vier eigenständigen Töchtern werden. Vorbild ist die Struktur des britisch-spanischen Konkurrenten IAG (mit British Airways, Iberia, Level) und der Lufthansa (mit AUA, Swiss, Brussels und Eurowings).
Gewappnet für harten Brexit
Die wichtigste Tochter bleibt Ryanair, daneben gibt es Ryanair Sun und Laudamotion. Zudem wurde eine eigene Gesellschaft mit einer UK-Lizenz eingerichtet, um für den Fall eines harten Brexit die drei innerbritischen Flugrouten abzusichern. Ungeachtet dessen habe man Vorkehrungen in der Aktionärsstruktur getroffen, damit Ryanair eine von EU-Anteilseignern dominierte Airline bleibe, gab Ryanair am Montag bekannt.
Die neue Konzernstruktur soll die Kosten – nach eigenen Angaben ohnedies die niedrigsten in der europäischen Luftfahrt – senken und die Effizienz steigern. Darüber hinaus soll sie Zukäufe kleinerer Airlines wie jenem von Laudamotion vereinfachen. Im Klartext: Die Iren wollen die Konsolidierung in der Luftfahrt nutzen, die sich aufgrund des anhaltenden Preisdrucks beschleunigen dürfte.
O'Leary hat wiederholt gemeint, á la longue würden in Europa nur fünf große Luftfahrt-Unternehmen eigenständig bleiben. Ryanair werde zweifelsohne eine davon sein. Seit Jahren matchen sich die Iren mit der Lufthansa um den Spitzenplatz, gemessen an Passagieren. Im Vorjahr hatten die Deutschen wieder die Nase vorn. Ryanair erreichte ein Passagierplus von acht Prozent auf 139,2 Millionen, die Lufthansa erreichte 142,3 Millionen Passagiere.
Wie groß der Preisdruck ist, den allerdings Ryanair selbst über Jahre mit Dumping-Angeboten befeuert hat, hat die Fluglinie im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahres 2018/19 selbst erlebt. Sie schrieb einen Verlust von knapp 20 Mio. Euro – nach 106 Mio. Euro Gewinn im Vergleichszeitraum 2017/18. Da ist der Verlust der Laudamotion von 46,5 Mio. Euro noch nicht inkludiert.
Der Umsatz wuchs um neun Prozent auf 1,53 Mrd. Euro, zusätzliche Einnahmen abseits des Fluggeschäfts legten sogar um 26 Prozent zu.
Doch höhere Kosten für Kerosin, Personal und Fluggast-Entschädigungen belasteten. Die Stückkosten ohne Treibstoffausgaben stiegen um sechs Prozent. Die Ticketpreise fielen im abgelaufenen Quartal um sechs Prozent auf weniger als 30 Euro im Schnitt.
O'Leary ist überzeugt, dass die am Markt herrschenden Überkapazitäten auch im Sommer anhalten werden. Deshalb teilt er auch nicht die Hoffnung einiger Konkurrenten, die eine enorme Verteuerung der Ticketpreise erwarten. „Wir teilen diesen zum Teil irrationalen Optimismus nicht“, sagte er. Denn der nun wieder sinkende Ölpreis bewahre schwache Airlines vor der Pleite, wodurch das Kurzstrecken-Angebot vorerst nicht sinke.
Noch eine Gewinnwarnung?
Der Preisdruck und vor allem der noch nicht ganz ausgestandene Arbeitskampf, der in höheren Personalkosten münden wird, löste im laufenden Geschäftsjahr schon zwei Gewinnwarnungen aus. Aber auch die zuletzt ausgegebene Guidance für das Nettoergebnis von einer bis 1,1 Mrd. Euro könnte noch gekappt werden. „Wir können einen weiteren Rückgang nicht ausschließen“, hieß es nun. Die großen Ziele bleiben aber: 2019 sei das Jahr des Investments in die Mitarbeiter, die Systeme und das Geschäft, um das Wachstumsziel von 200 Millionen Passagieren im Jahr 2014 zu erreichen, verlautete am Montag.
Für die Laudamotion werden nun statt bisher 150 nur 140 Mio. Euro Verlust erwartet, das bleibt aber ein großer Brocken. Der österreichische Ableger soll allerdings mit deutlich größerer Flotte und entsprechend stark steigenden Passagierzahlen schon 2020 die Gewinnschwelle erreichen.
Die Anleger kehrten der Aktie den Rücken, sie verlor am Montag gut fünf Prozent. Seit dem Höchststand Mitte 2017 hat sich der Kurs nahezu halbiert. (eid)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2019)