Guaidós Kampf gegen die Inflationsrate von 1,37 Millionen Prozent

Oppositionsführer Juan Guaidó bei einer Pressekonferenz in der Nationalversammlung in Caracas.
Oppositionsführer Juan Guaidó bei einer Pressekonferenz in der Nationalversammlung in Caracas.(c) REUTERS (Andres Martinez Casares)
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Es fehlt an Lebensmitteln, Medikamenten und mehr: Der selbst ernannte Interimspräsident möchte das ändern. Noch stehen die hochrangigen Militärs aber auf der Seite von Nicolás Maduro - unter den einfachen Soldaten soll es rumoren.

Nach der Anerkennung durch 16 EU-Staaten will der selbst ernannte venezolanische Interimspräsident Juan Guaidó nun auch das Militär in seinem Land für sich gewinnen. Er hat sich zum Ziel gesetzt, dringend benötigte humanitäre Hilfe ins Land zu bringen, um die schlimmste Not in dem Krisenstaat zu lindern. "In der ersten Etappe soll die Hilfe jenen Venezolanern zugute kommen, die Gefahr laufen, zu sterben", sagte Guaidó. Zwar sagten ihm zahlreiche Länder bereits Soforthilfen in Millionenhöhe zu, doch braucht Guaidó die Unterstützung der mächtigen Streitkräfte, um die Lieferungen ins Land zu schaffen. Genau diese haben ihre Loyalität aber noch Staatschef Nicolás Maduro zugesagt, der humanitäre Hilfe aus dem Ausland zuletzt mehrfach abgelehnt hatte.

"Heute richte ich einen Aufruf an die Streitkräfte: In wenigen Tagen habt ihr die Möglichkeit zu entscheiden, ob ihr auf der Seite von jemandem stehen wollt, um den es immer einsamer wird, oder auf der Seite von Hunderttausenden Venezolanern, die Lebensmittel und Medikamente brauchen", sagte Guaidó. Die Hilfslieferungen sollen in den kommenden Tagen von Kolumbien und Brasilien nach Venezuela geschafft werden. "Alles ist bereit. Hier die Frage an die Militärs: Soldat, wirst du deiner Familie die humanitäre Hilfe verweigern? Einmal mehr appelliere ich an euer Gewissen. Diese Hilfe ist dazu da, Leben zu retten."

Kaum Lebensmittel und Medikamente

Gelingt es dem selbst ernannten Interimspräsidenten tatsächlich, die Hilfslieferungen ins Land zu bekommen und an die notleidende Bevölkerung zu verteilten, dürfte ihm das viel Anerkennung bei den Venezolanern und zusätzliche Punkte im Machtkampf mit Staatschef Maduro einbringen.

Das einst reiche Land steckt in einer schweren Wirtschaftskrise. Aus Mangel an Devisen kann Venezuela kaum noch Lebensmittel, Medikamente und Dinge des täglichen Bedarfs importieren. Für das laufende Jahr rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) mit einer Inflationsrate von 1,37 Millionen Prozent, das Bruttosozialprodukt dürfte laut der Prognose um weitere 18 Prozent einbrechen. Viele Menschen hungern und rund drei Millionen Venezolaner sind bereits ins Ausland geflohen.

Parlamentschef Guaidó hatte sich vor knapp zwei Wochen zum Interimspräsident erklärt und Staatschef Maduro offen herausgefordert. Die USA, viele Staaten in Lateinamerika und zahlreiche europäische Länder, darunter auch Österreich, haben den jungen Abgeordneten mittlerweile als legitimen Übergangspräsidenten anerkannt. "Die demokratische Welt erkennt den Kampf der Venezolaner an", sagte Guaidó am Montag.

Allerdings verfügt er in Venezuela selbst über keine echte Machtposition. Alles hängt davon ab, ob es ihm gelingt, die Militärs auf seine Seite zu ziehen. Zumindest die Führungsriege hält noch immer treu zu Maduro. Viele Generäle besetzen lukrative Posten in der Erdöl- und Finanzwirtschaft, Offiziere kontrollieren die Verteilung von Lebensmitteln und den Bergbau. Zudem sollen viele Militärs in kriminelle Geschäfte verwickelt sein. Sie haben kein Interesse an einem Regierungswechsel.

Unter den Soldaten rumort es

Unter den einfachen Soldaten hingegen soll es rumoren. Sie genießen keine Privilegien wie ihre Vorgesetzten, sondern leiden wie die Zivilbevölkerung unter der schlechten Versorgungslage. Allerdings werden die Mannschaften vom Geheimdienst streng kontrolliert. Kleine Aufstände werden schnell niedergeschlagen. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Control Ciudadano wurden im vergangenen Jahr mindestens 180 Militärs wegen politischer Verbrechen festgenommen.

Guaidó versprach den Soldaten bereits Straffreiheit, wenn sie bei der Wiederherstellung der demokratischen Ordnung helfen. Jetzt macht er ihnen ein weiteres Angebot, um ohne Gesichtsverlust überzulaufen: Lassen sie die Hilfslieferungen passieren, würden sie sich auf die Seite des notleidenden Volkes stellen. Sie wären dann Helden, keine Verräter.

Die sogenannte Lima-Gruppe aus Argentinien, Brasilien, Kanada, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Guatemala, Honduras, Panama, Paraguay und Peru rief die Streitkräfte am Montag auf, sich dem Kommando von Guaidó zu unterstellen. "Wir fordern das Militär dazu auf, die internationale Hilfe ins Land zu lassen", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Für Maduro forderte die Gruppe Sanktionen, so etwa sollte der Zugriff auf internationale Vermögenswerte Venezuelas untersagt werden.

In der kommenden Woche soll eine internationale Geberkonferenz zugunsten des südamerikanischen Landes abhalten. Die Konferenz am 14. Februar habe zum Ziel, humanitäre Hilfe für Venezuela zu organisieren, teilte am Montag die Repräsentanz des Guaidó-Lagers in der US-Hauptstadt mit.

(APA/dpa/AFP)

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