Bei ihr gab es immer ein Happy End

Herbe Landschaft, zarte Gefühle: Rosamunde Pilcher bei der Arbeit, 1994 am schottischen Loch Laggan.
Herbe Landschaft, zarte Gefühle: Rosamunde Pilcher bei der Arbeit, 1994 am schottischen Loch Laggan. (c) dpa (Ossinger)
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Nachruf. Mit ihren perfekt vorhersehbaren Liebesgeschichten erreichte Rosamunde Pilcher ein Millionenpublikum, ihrer Heimatgegend Cornwall verhalf sie zum touristischen Glück. Nun ist sie im Alter von 94 Jahren gestorben.

Die Ausrede hat wohl so mancher, der sonntagnachmittags vor dem Fernseher gesessen ist und sich von diesen simplen Geschichten über Liebe und Betrug, Erbstreitigkeiten und Eifersucht, Schicksalsschläge und Glücksmomente berieseln hat lassen, schon vorgetragen: Nur wegen der schönen Landschaft schaue man sich das an. Ach, Cornwall! Dieses wunderschöne grüne englische Küstenpanorama, diese Steilklippen, die herrschaftlichen Anwesen, die putzigen Gärten! In Wirklichkeit war es freilich nicht nur das, was die Filme nach Rosamunde Pilchers Erzählungen für Millionen Zuschauer so reizvoll gemacht hat. Sie boten großes Drama im beruhigendsten Sinn. Kitsch ohne Hysterie, schrecklichen Liebeskummer ohne die Sex-and-Crime-Komponente. Und ein Happy End, das sich zwar schon von Weitem angekündigt hatte – das aber trotzdem seine Wirkung nie verfehlte.

Über die Jahre fand die Britin, die 1924 selbst am Schauplatz ihrer Geschichten, dem südwestenglischen Cornwall, geboren wurde, zu einem Erfolgsrezept, das sie in unterschiedlichen Variationen zigfach wiederholte. Ein Prototyp: Eine gut aussehende Frau aus oft edlem Haus landet aus irgendeinem Grund in der alten Heimat. Es dauert nicht lang, bis dort auch der perfekte Partner auftaucht. Doch bevor sie ihr Liebesglück genießen können, gilt es, Hindernisse aus dem Weg zu räumen – Ex-Liebhaber, Nebenbuhler, Intrigen, familiäre Streitigkeiten. Dazwischen reiten sie, trinken Tee im Rosengarten, steigen in glänzende Autos. Wer hier gut oder böse ist, sieht man von fern. Wenn sich Unheil ankündigt, färbt sich der Himmel grau. Und auch das Resultat ist nie eine Überraschung: Die Welt bleibt heil.

Kriegsdienst bei der Marine

Dabei galt die Person Pilcher als relativ unsentimentaler Mensch. Harte Seiten des Lebens lernte sie früh kennen: Die Tochter eines Marineoffiziers verließ mit 16 die Schule und trat mit 19, während des Zweiten Weltkriegs, ihren Dienst beim Women's Royal Naval Service an, der sie bis nach Sri Lanka schickte. Ihre ersten Kurzgeschichten schrieb sie unter dem Pseudonym Jane Fraser – aus Geheimhaltungsgründen, wie sie später erklärte: „Wenn ich unter meinem eigenen Namen veröffentlicht hätte, hätte ich Ärger bekommen.“ Nach dem Krieg heiratete sie den Erben eines Textilunternehmens, zog nach Schottland, bekam vier Kinder. Am Küchentisch schrieb sie kurze Liebesgeschichten für Frauenmagazine. Gesprochen worden sei über ihre literarischen Ambitionen in der Familie nie, sollte die älteste Tochter später berichten.

Bis zu Pilchers erstem großen Erfolg dauerte es dann auch. Erst 1987 hatte sie den Durchbruch mit „The Shell Seekers“ („Die Muschelsucher“). Es folgten Titel wie „Möwen im Wind“, „Wintersonne“, „Gezeiten der Liebe“. Von den Feuilletons wurden ihre Bücher als trivial und schnulzig belächelt, Pilcher nahm das zur Kenntnis. Sie habe Themen wie Politik und Gewalt, selbst expliziten Sex bewusst ausgespart, erzählte sie in Interviews: „Meine Bücher sind leichte Lektüre für intelligente Damen.“ Diese würden ihre Geschichten beim Zubettgehen lesen – und sollten danach ruhig schlafen können. Der Frauentypus, den sie in ihren Büchern beschwor, soll ihr selbst entsprochen haben: „Ich mag die Unabhängigkeit dieser Figuren – es sind Frauen, die männliche Gesellschaft schätzen, aber durchaus in der Lage sind, auch allein zurechtzukommen.“ Dass echte Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau möglich sei, glaubte sie aber nicht. An die große Romanze sehr wohl: In Interviews erzählte sie gern von ihrem Eheglück. Über 60 Jahre lang war sie mit Graham Pilcher verheiratet, er starb 2009. Auch die Monarchie liebte sie treu: Die Hochzeit von Kate und William habe sie mit Räucherlachs und Champagner vor dem Fernseher verbracht, erzählte sie.

An die 150 Fernsehfilme

Über 66 Millionen Bücher soll Rosamunde Pilcher zeitlebens verkauft haben. Dabei ist Pilcher nirgendwo so berühmt wie im deutschsprachigen Raum – was den Fernsehfilmen zu verdanken ist, in denen deutsche Schauspieler munter englische Lords und Londoner Junggesellinnen spielen. An die 150 90-minütige Produktionen hat das ZDF seit den 1990er-Jahren herausgebracht– angeblich zur vollsten Zufriedenheit Pilchers, die sich die Filme, weil sie nicht Deutsch sprach, anfangs noch übersetzen ließ. Nachdem sie 2012, mit 87 Jahren, bekannt gab, dass sie zu schreiben aufhören wolle, weil sie sich zu alt dafür fühle, gingen die Produzenten kurzerhand dazu über, Ideen aus ihren Notizbüchern zu verfilmen. Der Stoff ging bis zuletzt nicht aus.

Wie viele Versatzstücke, wie viel Herzschmerz, wie viele Happy Ends in diesem Archiv wohl noch schlummern mögen? Neues wird jetzt aber definitiv nicht mehr dazu kommen. Rosamunde Pilcher ist – wie ihr Sohn Robin Pilcher, der als Autor in ihre Fußstapfen tritt, bestätigte – im Alter von 94 Jahren gestorben. Sie wird nicht nur als Autorin in Erinnerung bleiben, die im Fach der romantischen Unterhaltung zweifelsfrei Maßstäbe setzte und Nachahmer motivierte, sondern auch als wertvolle Botschafterin für ihre Heimat: Cornwall ist mittlerweile ein begehrtes Reiseziel, vor allem für deutsche Urlauber. Sie seien nur wegen der Landschaft da, werden viele wohl sagen. Manche werden vielleicht zugeben: Eigentlich ist Rosamunde Pilcher schuld.

DIE BIOGRAFIE

Rosamunde Pilcher wurde 1924 in Cornwall als Tochter eines Marineoffiziers geboren. Sie schrieb seit ihrem 15. Lebensjahr. Nach dem Krieg heiratete sie einen Textilunternehmer und zog mit ihm nach Schottland. Die Mutter von vier Kindern schrieb unter dem Pseudonym Jane Fraser Kurz- und Liebesgeschichten für Frauenmagazine. Erst 1987 kam ihr Durchbruch mit der Familiensaga „Die Muschelsucher“. Ihre 66 Millionen verkauften Bücher machten sie zu einer der erfolgreichsten Autorinnen der Gegenwart. Am Donnerstag starb sie mit 94 Jahren an einem Schlaganfall.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2019)

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