Was Tische heute sein sollen

Flexibel. Der Esstisch ist ein Tisch für alles. Vor allem, wenn er ausziehbar ist. Wie „Tema“ von Team 7.
Flexibel. Der Esstisch ist ein Tisch für alles. Vor allem, wenn er ausziehbar ist. Wie „Tema“ von Team 7. (c) Beigestellt
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Tische ziehen in Wohnungen und Büros ganz neue Ebenen ein. Vor allem, wenn sie klug durchdacht sind.

Der Tisch kann alles sein. Aber eines ist er immer: eine Ebene. Und die erhebt sich vom Boden. Allein das war schon eine kulturelle Leistung. Wie weit nach oben er dabei geht, hängt davon ab, wofür ihn die Designer und Hersteller konzipiert haben. Manchmal geben sie den Tischen Hinweise darauf mit, wenn sie sie in den Möbelkatalog stellen. Coffeetable etwa. Oder Schreibtisch. Und dann gibt es da noch den Tisch, den man lang gern als Esstisch definieren wollte. Der aber inzwischen eine neue Ebene beim Wohnen einzieht: Jene, auf der alles möglich ist. Das hat fast Tradition: Denn als er im Laufe der Kulturgeschichte allmählich in die Innenräume kam, war der Tisch gleich gefordert. Der Raum war stets knapp – außer bei den Privilegierten –, da musste der Tisch auch alles gleichzeitig erfüllen.

Klare Linie. Jorre van Ast gestaltete den Tisch „1060“ für den Hersteller Thonet.
Klare Linie. Jorre van Ast gestaltete den Tisch „1060“ für den Hersteller Thonet. (c) Constantin Meyer/Thonet

Die Wohnebene. Heute ist der Esstisch in vielen Wohnkonzepten noch immer das Zentrum. Auch weil man das Leben gern um ihn kreisen lässt. In den Niederlanden etwa besonders intensiv. Dort sei das Am-Tisch-Sitzen sogar so etwas wie eine Aktivität, erzählt der Designer Jorre van Ast. „Bei uns nennt man das ‚Tableing‘. Das kann theoretisch alles sein, sofern es eben am Tisch stattfindet", erzählt van Ast, der seine Expertise auch schon für Hersteller wie Thonet an den Tisch gebracht hat. Hauptsächlich leitet er aber heute das Unternehmen Arco. Sein Urgroßvater hat es gegründet, schon 1903. Seitdem hat es sich auf die Herstellung von Tischen spezialisiert. Und auch darauf, das Thema ästhetisch ein wenig auszureizen oder zu verlängern. Der „Slim"-Tisch ist etwa, wie der Name sagt, besonders dünn: kaum drei Zentimeter. Dafür ist seine Tischplatte, je nach Modell, bis zu drei Meter lang. Oder auch rund. Die Höhe der Tische lässt sich bei manchen Modellen anpassen. Da gebe es ja zwischen den Niederlanden und Italien unterschiedliche Bedürfnisse – Stichwort Durchschnittskörpergröße. Aber auch zwischen Wien und Steyr. Dort hat der Designer Sebastian Zachl schon seit einiger Zeit an dem Projekt „Ein Tisch für alle" gefeilt. Zachl hat ein Naheverhältnis zu Holz und Handwerk, schließlich arbeitet er auch in einer Tischlerei. Und geschraubt hat er auch am Verhältnis Mensch und Tisch. Nämlich am Höhenverhältnis. Das Wortspiel ist Programm: Der „Adjus-Table" verändert sich mit den Anforderungen. Als Schreibtisch, als Besprechungstisch. Und als Tisch für alles andere, was Tische heute sein sollen.

Anpassbar. Der „Adjus-Table“ von Sebastian Zachl ist gerade in der Manufaktur-­Findungsphase.
Anpassbar. Der „Adjus-Table“ von Sebastian Zachl ist gerade in der Manufaktur-­Findungsphase. (c) Beigestellt

Arbeitsfläche. Auch Heribert Wolfmayr und Josef Saller sitzen am Tisch, wenn sie arbeiten. Und manchmal über Tische nachdenken. Heri & Salli heißt ihr Architekturbüro. Manchmal verstehen sie Architektur als Tisch, manchmal haben sie auch schon einen Tisch als Architektur verstanden. Bei einer Projektstudie für ein Bürogebäude haben sich die Architekten schon vor Jahren intensiv mit Tischen auseinandergesetzt. Denn Tisch ist für sie vor allem eben auch: eine Ebene. Beim Projekt „Büro Tableau" war das Gebäude der Tisch: einer, der unterschiedlichste Möglichkeiten serviert. Damals sind Heri & Salli unterschiedlichsten Tischen poetisch-analytisch auf den Grund gegangen, sogar dem Schreibtisch von Friederike Mayröcker. Auf dem sich Texte, Manuskripte, Bücher immer wieder geschichtet, abgetragen und wieder geschichtet haben. Für das Unternehmen FOB setzten die Architekten schließlich ihre Erkenntnisse auch zu einem imposanten Besprechungstisch zusammen. Als „Ebene des Handelns". Denn besprochen wird noch immer gern am Tisch. Da können die Gestalter noch so viele Kojen in die Büros stellen. Das tischlose Büro ist noch nicht erfunden.

Verteiler. ­Nendo entwarf das Tischsystem „Highway“ für den italienischen ­Hersteller Moroso.
Verteiler. ­Nendo entwarf das Tischsystem „Highway“ für den italienischen ­Hersteller Moroso. (c) Beigestellt

Doch wie nah man sich kommt am Tisch, dafür ist dann wieder das Design verantwortlich. Auch wenn Tische verbinden, sie trennen auch. Wenn sie zu mächtig sind und auch Machtpositionen an ihren Kanten verteilen. Zum Glück wurde als demokratischer Ausgleich der runde Tisch erfunden. Oder auch jener in Form eines Autobahnkreuzes. Das Designbüro Nendo hat „Highway" für den Hersteller Moroso entworfen. Auch um zwischen den Menschen am Tisch kürzere Verbindungen zu schaffen.

Konstruktiv. Heri & Salli entwarfen Besprechungstisch und das Hauptquartier von FOB.
Konstruktiv. Heri & Salli entwarfen Besprechungstisch und das Hauptquartier von FOB. (c) Paul Ott

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