Der Betrugsvorwurf gegen das traditionsreiche Investmenthaus Goldman Sachs ist endgültig zum Politikum geworden. Die US-Börsenaufsicht SEC hat vergangenen Freitag Klage gegen Goldman Sachs eingereicht.
New York. Wer dieser Tage die Internetseite Google mit den Worten „Goldman“ und „SEC“ – die Abkürzung für die US-Börsenaufsicht– füttert, bekommt ein interessantes Resultat geliefert: Im Werbeblock über den Suchergebnissen erscheint die Homepage von Barack Obama. Der Titel der bezahlten Einschaltung: „Helfen Sie mit, die Wall Street zu ändern“.
Der Betrugsvorwurf gegen das traditionsreiche Investmenthaus Goldman Sachs ist endgültig zum Politikum geworden. Nicht nur der US-Präsident versucht, die Klage der Börsenaufsicht SEC für seine Agenda zu nützen, zahlreiche Senatoren und Abgeordnete nahmen am Dienstag zu dem Thema Stellung. Aus gutem Grund: Ab kommender Woche wird der US-Kongress eine umfassende Finanzreform diskutieren. Diese soll noch im Sommer in Kraft treten.
Nicht zuletzt deshalb äußerten mehrere Republikaner Zweifel an der Unabhängigkeit der Börsenaufsicht. Der Abgeordnete Darrell Issa beschuldigt die SEC, Goldman bewusst zum jetzigen Zeitpunkt geklagt zu haben, um strengere Gesetze zu ermöglichen. „Die Demokraten versuchen, die Wall Street als Bösewicht darzustellen, um nicht für die schlechte Wirtschaftslage verantwortlich gemacht zu werden“, sagte er.
Kritik am Zeitpunkt der Klage
Das Weiße Haus bestreitet die Vorwürfe der politischen Einflussnahme. „Wir haben genauso wie Sie aus den Medien von der Klage erfahren“, sagte Obamas Pressesprecher. Auch der Zeitpunkt einer geplanten Reise nach New York an die Wall Street stehe in keinem Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen Goldman. Obama wird am Donnerstag an der Wall Street eine Rede vor Bankern halten.
Die US-Börsenaufsicht SEC hat vergangenen Freitag Klage gegen Goldman Sachs eingereicht. Das Institut wird des Betrugs beschuldigt. Man habe Anlegern ein komplexes Finanzprodukt verkauft, das von Anfang an darauf ausgerichtet gewesen sei, einen Verlust zu erzielen. Konkret wurden Hypotheken zu einem Bündel zusammengefasst („Collateral Debt Obligation). Die Investoren sollten an den Ratenzahlungen verdienen. Diese blieben allerdings bald aus. Viele Schuldner konnten ihre Raten nicht mehr bedienen.
Für die Auswahl der Hypotheken war ein Hedgefonds mitverantwortlich, der gleichzeitig millionenschwere Wetten auf den Absturz des Häusermarktes laufen hatte. Diesen Umstand habe Goldman seinen Investoren verschwiegen, behauptet die SEC. Die Bank bestreitet die Vorwürfe.
Wie nun bekannt wurde, waren sich die Mitglieder der Börsenaufsicht keineswegs einig, die Klage tatsächlich einzubringen. Drei Mitglieder des fünfköpfigen Komitees stimmten dafür, zwei dagegen. Die Vorsitzende Mary Schapiro hatte die entscheidende Stimme. Sie ist parteilos, wurde aber von Präsident Obama nominiert.
Einer der zentralen Punkte der geplanten Finanzreform wird die Regelung von Derivativen sein, zu denen auch „Collateral Debt Obligations“ zählen. Obamas Demokraten fordern, diese Geschäfte wegen ihrer Hebelwirkung zu limitieren. Dies würde die Gewinnchancen der Banken einschränken, gleichzeitig aber das Risiko eines Zusammenbruchs mindern.
Europäische Institute betroffen
Die Finanzbranche wartet indes nicht nur auf die anstehende Finanzreform, sondern fürchtet weitere Klagen der SEC. Viele Institute waren vor Ausbruch der Wirtschaftskrise genauso wie Goldman im Geschäft mit „Collateral Debt Obligations“ tätig. Wie bereits berichtet, gehörten zu den größten Spielern dem Vernehmen nach die Deutsche Bank, die UBS sowie die amerikanische Citibank. Ob die SEC weitere rechtliche Schritte einleiten wird, ist nicht entschieden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2010)