Salvinis Kampf gegen Seenotretter

Die „Mare Jonio“ ist das einzige Schiff privater Rettungsorganisationen, das im Mittelmeer im Einsatz ist.
Die „Mare Jonio“ ist das einzige Schiff privater Rettungsorganisationen, das im Mittelmeer im Einsatz ist.REUTERS/Alkis Konstantinidis
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Der italienische Innenminister erklärt es zur Straftat, Migranten nach Italien zu bringen. Das trifft die "Mare Jono", die mit 49 Geretteten an Bord vor Lampedusa liegt.

Rom. Flankiert von Booten der italienischen Finanzpolizei lag die „Mare Jonio“ am Dienstag vor der Küste Lampedusas. An Bord: 49 Menschen, die die Besatzung der Hilfsorganisation „Mediterranea Saving Humans“ wenige Stunden zuvor an Bord genommen hatte. Das Boot der Migranten war 40 Seemeilen vor der libyschen Küste in Seenot geraten. Unter den Geretteten sollen Minderjährige sein. Kurz nach der Rettung bat die Besatzung der „Mare Jonio“ die Leitstelle in Rom um die Zuweisung eines sicheren Hafens. Die Antwort aus Rom: Zuständig ist Libyen. „Die Häfen bleiben geschlossen“, so Innenminister Matteo Salvini.

Doch diesmal leitete Salvini auch offizielle Schritte ein. „Die Migranten werden versorgt“, sagte er dem Sender SkyTG24. „Das war keine Rettungsaktion, das war eine Aktion, die illegale Migration begünstigt.“ Dagegen will der Innenminister vorgehen. Kurz nachdem die „Mare Jonio“, die unter italienischer Flagge fährt, um Anlandung in Lampedusa gebeten hat, veröffentlichte das Innenministerium eine Richtlinie, die den Umgang mit Geretteten festschreibt. Auch damit werden die Häfen Italiens nicht offiziell geschlossen. Ein Akt, der ohnehin in die Zuständigkeit von Verkehrsminister Danilo Toninelli der Fünf-Sterne-Bewegung fiele. Doch die neue Richtlinie erklärt es quasi zur Straftat, Gerettete nach Italien zu bringen.

Die „Mare Jonio“ ist das einzige Schiff privater Rettungsorganisationen, das im Mittelmeer im Einsatz ist. In der Weisung Salvinis heißt es, die Rettung von Menschen in Seenot habe Priorität. Unmittelbar danach sei es notwendig, „im Einvernehmen mit den nationalen Autoritäten zu handeln, die für den jeweiligen Fall territorial zuständig sind“. Im aktuellen Fall wären das die libyschen gewesen. Die Retter weigern sich jedoch, die Häfen in dem zerrütteten Land als im völkerrechtlichen Sinne „sicher“ anzuerkennen. Diejenigen, die „explizit gegen internationale, europäische und nationale Regeln für Rettungseinsätze verstoßen“ müssten mit Sanktionen rechnen. Ein solcher Akt werde als absichtliche Handlung angesehen, mit der illegale Migranten nach Italien gebracht und der Menschenhandel begünstigt würden. Die Zuständigkeit des Innenministeriums wird damit begründet, dass sich unter den Migranten „in terroristische Aktivitäten verwickelte Personen verstecken könnten“. Es sei eine Frage der nationalen Sicherheit.

Toto Martello, Bürgermeister von Lampedusa, betonte, der Hafen Lampedusas sei offen. 2018 seien etwa 3000 Menschen in Lampedusa an Land gegangen, so Martello. Insgesamt sind 2018 nur noch 23.370 Migranten über das Mittelmeer nach Italien gekommen, heuer 335. Zum Vergleich: 2017 waren es noch fast 120.000.

Votum über Salvinis Immunität

Dass er erneut Härte in der Migrationspolitik zeigen kann, dürfte Salvini gelegen kommen. Heute wird im Senat darüber abgestimmt, ob gegen ihn im Fall der „Diciotti“ prozessiert werden kann. Dem Schiff der italienischen Küstenwache mit 190 Geretteten an Bord hatte Salvini im August tagelang das Anlegen an einem Hafen verweigert. Die Staatsanwaltschaft in Catania leitete Ermittlungen gegen Salvini wegen „Entführung, Amtsmissbrauch und illegaler Festnahme“ ein. Die Debatte hatte die Regierungskoalition in unruhiges Fahrwasser gebracht.

Die Fünf-Sterne-Bewegung ist gegen den Schutz von Abgeordneten vor der Justiz. Eine Online-Befragung der Mitglieder legte den Streit aber bei, bevor er eskalieren konnte: Sie stimmten mit 59 Prozent gegen einen Prozess. Es wird erwartet, dass sich die Abgeordneten daran halten werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2019)

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