Brecht bricht die stolzesten Herzen

Teamwork in Berlin: Leonie Benesch als Elisabeth Hauptmann, Tom Schilling als junger Bertolt Brecht.
Teamwork in Berlin: Leonie Benesch als Elisabeth Hauptmann, Tom Schilling als junger Bertolt Brecht. (C) ARD
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Arte und ARD senden Heinrich Breloers dreistündigen Zweiteiler über Brecht. Ein üppiges Fest für dessen VerehrerInnen.

Wie war er wirklich, dieser Bertolt Brecht, der sich bereits als frecher Abiturient in Augsburg während des Ersten Weltkriegs als Genie in der Nachfolge von Johann Wolfgang von Goethe deklarierte? Er schrieb Gedichte wie kein anderer, wurde zum wichtigsten deutschen Dramatiker des 20. Jahrhunderts, verbrachte nach der Flucht vor den Nazis 16 Jahre im Exil, um schließlich bis zu seinem Tod 1956 in der DDR als eine Art Staatsdichter geduldet zu werden. Wie war er denn wirklich, dieser Verführer, den die Frauen liebten?

Die Schauspielerin Regine Lutz, die von ihm in Ostberlin gefördert wurde, die Wert darauf legte, dass sie nicht zu seinen Geliebten gehörte, sagte, er habe sie gekannt, und zwar sehr gut, aber: „Ihn konnte man nicht kennen.“ Ihre Augen leuchten. So tief kann Dankbarkeit gehen. Dieses Filmdokument ist eine von vielen überraschenden Kostbarkeiten in Heinrich Breloers Versuch, Brecht zu verstehen. Der deutsche Regisseur („Die Manns“, „Todesspiel“, „Speer und Er“) hat für Arte und die ARD ein zweiteiliges, drei Stunden langes Dokudrama über den von ihm verehrten Meister geschaffen.

Erste Liebe, erste Schwangerschaft

Bereits ab den Siebzigerjahren befragte Breloer Weggefährten Brechts. Seither hat er eine Menge Material gesammelt. Das Ergebnis ist beeindruckend. Er nähert sich dem Genie behutsam, lakonisch und auch voll Zärtlichkeit, nimmt vor allem die weibliche Sicht ein. Teil eins („Die Liebe dauert oder dauert nicht“) verfolgt den Werdegang des Dichters von 1916 bis 1933. Das Exil wird ausgespart. Teil zwei („Das Einfache, das schwer zu machen ist“) setzt 1947 in den USA beim Verhör vor dem „Komitee für unamerikanische Umtriebe“ ein, konzentriert sich dann auf die ostdeutsche Zeit, auf Brechts Arbeit für das Berliner Ensemble.

Breloer hat von ihm gelernt. Übergangslos werden Originaldokumente in dieses Fernsehspiel eingefügt. All die Zeitzeugen lassen den Eindruck entstehen, dass man Brecht nun wirklich ganz nah kommt, dass man sein Wesen erkennt. Und schon, ehe man romantisch glotzt, wirkt die nachgespielte Wirklichkeit verfremdend. Breloer ist dennoch auf der Hut. Er lässt dem Dichter sein Geheimnis. Den jungen Brecht spielt Tom Schilling – ohne viel Expression, blass, kaum von des Gedankens Blässe belastet. Dieser Bursche mit seinen hochfliegenden Plänen scheint zwar etwas reserviert, aber er ist immer auf der Jagd. Breloer lässt allerlei Beziehungskisten Revue passieren. Brechts erste wahre Liebe gilt der bald geschwängerten Paula Banholzer (Mala Emde). Die echte Paula sieht man ebenfalls – im Interview.

Friederike Becht spielt die Sängerin Marianne Zoff, zu der Brecht parallel eine Beziehung hat. Auch sie wird schwanger. Der Reihe nach nimmt er sich nun die Frauen vor: Elisabeth Hauptmann (Leonie Benesch) wird in Berlin Sekretärin und Geliebte. Ohne sie gäbe es die „Dreigroschenoper“ nicht. Im Exil und danach möchte Ruth Berlau (eine herrliche Rolle für Trine Dyrholm) Brechts Lebensmensch sein. Am Ende kümmert sich noch Isot Kilian (Laura de Boer) um seine Bedürfnisse. Da spielt längst Burghart Klaußner den Protagonisten. Dieser höchst präsente Schauspieler sieht ihm gar nicht ähnlich, er macht ihn auch nicht platt nach. Und doch wird er zu Brecht.

Die anderen Männer agieren fast wie Statisten, ob nun die Darsteller von Caspar Neher jung und alt, von Kurt Weill oder Ernst Busch. Das gilt selbst für Zeitzeugen vom Berliner Ensemble. Beiläufig kommen das Werk des Dichters und die politischen Implikationen vor. Die Niederschlagung der Arbeiterproteste 1953 und die ambivalente Haltung Brechts dazu? Nebensache. Den Zauber dieses üppig dokumentierten, ausufernden Kammerspiels machen die Frauen aus. Eine zentrale Rolle spielt Helene Weigel. Für die Szenen vor dem Exil wird sie von Lou Strenger gespielt, danach von Adele Neuhauser. Eine Sensation. Dieser Charakterkopf macht den Film „Brecht“ zum Ereignis. Auch sie sucht nicht billige Imitation, sie ist einfach die Weigel, wenn sie als Mutter Courage den Karren durch den Krieg zieht oder stolz auf den Stalin-Friedenspreis für den Dichter reagiert. Sollte eine gewusst haben, wer Brecht war, dann diese tolle Helene.

Termine: Am 22. 3. auf Arte Teil eins 20.15 h, Teil zwei 21.45 h, die Doku „Brecht und das Berliner Ensemble“ 22.30 h. In der ARD am 27. 3.: 20.15, 21.45 und 23.45 h

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2019)

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