Energiewende im Kreuzfahrtbusiness

Vor Kurzem noch in der Meyer-Werft in Turku: die neue Costa Smeralda.
Vor Kurzem noch in der Meyer-Werft in Turku: die neue Costa Smeralda. (c) Costa Crociere S.p.A.
  • Drucken

Die Costa Smeralda wird ein Flaggschiff der neuen Art. Statt mit Schiffsdiesel wird sie mit Flüssiggas (LNG) angetrieben.

Zugegeben, die Einladung zum Technical Launch des italienischen Cruiseliners Costa Smeralda versprühte zunächst nicht gerade Sexyness. Nach Turku sollte es gehen, der ältesten Stadt in Finnland. An diesem traditionellen Handelsplatz westlich von Helsinki wird seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Schiffbau betrieben. Jan Meyer, Chef der 1989 gegründeten Meyer Turku Oy, machte gleich klar, um welchen magischen Moment es sich hierbei handelt. Deren gibt es beim Schiffbau nämlich drei.

Als Erstes das Aufsetzen des Rauchfangs, das wie eine Dachgleiche zelebriert wird. Zuletzt die Schiffstaufe, die im Fall der Costa Smeralda am 3. November in Savona passieren wird. Ja, und dazwischen jener delikate Moment, in dem das jungfräuliche, zu etwa 60 Prozent fertiggestellte Schiff erstmals mit Wasser in Berührung kommt. Für diesen wurden Journalisten aus ganz Europa geladen.

Nach einem skandinavischen Frühstück in der Werftkantine ging es mit dem Bus hinunter ins gigantische Trockendock. Die Dimensionen des Schiffs im Rohbau: beeindruckend. 337 Meter Länge, 42 Meter Breite an der Wasserlinie. Und dann erst die zierlichen, bloß mannshohen Stützen, die diesen bald 6518 Passagiere fassenden Ozeanriesen in der Waage hielten. 10.000 Menschen waren in den Konstruktionsprozess involviert. 3000 Kilometer Kabel wurden im Inneren verlegt. Man könnte noch viele Zahlen nennen.

Umstellung des Brennstoffs

Das gigantische Teil zu umrunden, ehe das Dock geflutet ist, war tatsächlich ein ganz spezieller Moment. Mutige schlichen sich unter das tonnenschwere Schinakel und streichelten klandestin über dessen Bauch. Zunächst schüchtern, dann forscher. Wann hat man schon die Gelegenheit, einen Ozeanriesen an seiner (vielleicht) empfindlichsten Stelle zu kitzeln? Nach ausgiebiger Inspektion ging es wieder hinauf. Dort warteten schon Hunderte Arbeiter auf den großen Moment. Historisch gekleidete Soldaten betätigten eine Kanone. Noch vom Böller innerlich zitternd, kurbelten Neil Palomba, Präsident der Costa Crociere, und CEO Meyer nebst einigen gestandenen Hacklern an kleinen Rädern, die das Eiswasser der Ostsee ins Dock leiteten. Nach zehn Stunden waren 350 Millionen Liter im Bassin und das Schiff schwamm darauf. Noch ganz ohne Antrieb.

Die Jungfernfahrt ist am 3. November geplant.
Die Jungfernfahrt ist am 3. November geplant.(c) Costa Crociere S.p.A.

Die Costa Smeralda setzt mit ihm eine Pioniertat: Erstmals wird ein Kreuzfahrtschiff der Costa Crociere S.p.A. mit dem umweltfreundlichsten der fossilen Brennstoffe fahren, nämlich Flüssiggas. Diese Umstellung von Schiffsdiesel auf LNG, ein natürliches Gas (hauptsächlich aus Methan, CH4) in flüssiger Form, reduziert die Abgasemissionen stark. In Zahlen bedeutet dies: keine Schwefeldioxidemissionen mehr, 25 Prozent weniger Kohlendioxidausstoß, 85 Prozent weniger Stickoxide und 95 Prozent weniger Feinstaub. 2021 wird Costa Crociere das zweite LNG-Schiff von der Meyer-Werft übernehmen. Präsident Palomba zelebrierte den großen Moment zu Recht. „Das ist ein wichtiger Schritt, um neue Standards in der Branche zu setzen. Wir sind Marktführer in Europa und China und werden in Hinkunft auf nachhaltigen Tourismus setzen.“ Dass jeder Ort, an dem ein Costa-Kreuzfahrtschiff anlegt, danach ein besserer Ort sein wird, wie er freudig meinte, scheint ein wenig zu hoch gegriffen. Der Umstieg auf LNG wird das Kreuzfahrtgeschäft, nach Jahren der großen Investitionen, aber auf neue Beine stellen. Allein, was an Infrastruktur entlang der Kreuzfahrtrouten gebaut werden muss, um den Brennstoff zu lagern, ist eine Herausforderung.

Das böse Wort „Dreckschleuder“ wird auf LNG-Schiffe jedenfalls nicht leicht anzuwenden sein. Überhaupt sieht sich die Kreuzfahrtindustrie, bei aller berechtigten Kritik, ungerecht beurteilt, verursacht doch seit jeher die Güterschifffahrt die meisten Emissionen. Und bezüglich der Gefahren von LNG muss gesagt werden, dass es in der Tankschifffahrt seit 50 Jahren sicher eingesetzt wird. Die LNG-Technologie ist das derzeit Beste, was möglich ist. Die Versuche, Schiffe mit großen Batterien zu bewegen, gehen parallel weiter. Palomba ist, abgesehen vom innovativen Antrieb, auch vom Interieur des Neuzugangs zu seiner Flotte angetan. „Die Costa Smeralda wird bezüglich innovativen Designs und On-Board-Services einmalig“, sagt er mit nicht zu wenig Emotion.

Die Costa Smeralda wird dem „Bel Paese“ Tribut zollen, als das sich Italien seit Jahrhunderten, ohne viel Augenzwinkern, bezeichnet. Schon der Schiffsname weckt Assoziationen mit der edlen sardischen Küste, der Emerald Coast. Die Decks und die öffentlichen Zonen des Schiffs werden nach berühmten Orten und Plätze in Italien benannt. Das Herz des touristischen Teils des Schiffs wird das Colosseo sein, eine Location für Unterhaltungsshows aller Art. Die Screens an deren Wänden werden sich thematisch mit den jeweils angefahrenen Häfen verändern. Auch ein eigenes Designmuseum ist angedacht. Dieses CoDE (Costa Design Museum) wird von Matteo Vercelloni kuratiert und zeigt auf 400 m? italienisches Design. Fürs leibliche Wohl sorgen einerseits Spas und Räume für angesagte Gymnastik, andererseits 16 Restaurants. Etwas Besonderes wird mit dem Laboratorio del Gusto angeboten. Dort wird man Teile seines Diners ganz nach Wunsch zubereiten können: Dass man da den Trend aus Bayern – den leberkäsegefüllten Faschingskrapfen – realisieren wird können, ist allerdings unwahrscheinlich.

SCHIFFSDATEN

Costa Smeralda: mit Flüssiggasantrieb (LNG) betrieben, legt am 3. 11. zur Jungfernfahrt in Savona ab. Passagierkabinen: 2612; Unterbetten: 5224; Maxi- male Passagierzahl: 6518; Anzahl der Balkonkabinen: 63,7%; Besatzungsmit- glieder: 1682; Geschwindigkeit: 17 kn; Gesamtlänge: 337 m; Breite: 42 m; Bruttoraumzahl: 182,700; Werft: Meyer Turku Oy (Finnland); Klassifikation: RINA; Maximaler Tiefgang: 8,80 m. www.costakreuzfahrten

Compliance: Die Reise erfolgte auf Einladung von Costa Crociere S.p.A.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.