Wiener Exkursion an die Wall Street

(c) REUTERS (Shannon Stapleton)
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Zwei Dutzend heimische Unternehmen sind mit der Regierung nach New York gereist, um Investoren zu treffen. Der Finanzplatz Wien soll von der Wall Street lernen – und profitieren.

New York. Die Residenz des österreichischen Wirtschaftsdelegierten Michael Friedl ist schon allein imposant genug. In einem der obersten Stockwerke eines Wolkenkratzers in der 72nd Street ist der Blick über Manhattan atemberaubend. Doch an diesem Montagabend war es die Anwesenheit von knapp zwei Dutzend österreichischen Konzernchefs und Vorstandsmitgliedern, die mindestens genauso großen Eindruck machte.

Friedl hatte zum Abendempfang im Rahmen einer Investorenkonferenz geladen. Finanz- und Wirtschaftsministerium hatten gemeinsam mit der Wiener Börse, Wirtschaftskammer und Erste Group quasi zum großen Almauftrieb in New York geblasen. Tags darauf stellten sich die Konzerne den kritischen Fragen von US-Investoren. Roadshow heißt das im Finanzjargon.

Von einer „klaren Signalwirkung an US-Investoren“ spricht Finanzminister Hartwig Löger. „The Sound of Finance“ lautete der Titel der Konferenz, die im Lotte Palace Hotel in Manhattan stattfand. Wiener Börse-Chef Christoph Boschan ist regelmäßig mit Unternehmen auf Roadshows. Aber diesmal interessieren sich doppelt so viele US-Investoren für die Österreicher.

„Thinking AUT loud“ steht auf den Broschüren, und es ist auch eine Art politisches Statement. Es ist nämlich keine Selbstverständlichkeit, dass sich österreichische Politiker in der Öffentlichkeit für Börse und Aktienmarkt starkmachen. In der Vergangenheit machten auch Finanzminister einen Bogen um das „Spekulantentum“, war doch damit im Land der Sparbücher und Bausparverträge kein Blumentopf zu gewinnen. Es gehe ihm auch darum, „in Österreich ein verstärktes Interesse am Kapitalmarkt zu fördern“, sagte Löger. „Die Österreicher sollen stärker am Erfolg der österreichischen Unternehmen beteiligt werden.“

Derzeit sind sie es meist nur über die Beteiligungen des Staates. Der größte Teil der Dividenden fließt ins Ausland. 87 Prozent des Handels an der Wiener Börse sind ausländische Orders, berichtet Boschan. Knapp ein Viertel der institutionellen Investoren kommen aus den USA. Sie stellen somit vor den Österreichern (23,5 Prozent) die wichtigste Investorengruppe. Unter den Finanzexperten wird die rot-weiß-rote Roadshow dennoch etwas skeptisch beäugt. Die einen meinen, es sei vor allem eine Show für Politiker. Denn Konzerne wie die OMV brauchten keine politischen Türöffner, um sich an den Finanzmärkten zu präsentieren.

Finanzmärkte wie Fußball

Diesmal werden feine Häppchen serviert, es gibt ein CEO-Dinner mit den Ministern Margarete Schramböck und Hartwig Löger − Networking auf hohem Niveau. Doch die nicht ganz so großen ATX-Konzerne spüren Gegenwind. Auf den Finanzmärkten gehe es heute zu wie im Fußball, meint ein Manager. Die Topklubs spielen in der Champions League, und die kleinen Klubs in den kleinen Ligen verlieren den Anschluss.

Schuld daran seien unter anderem die strengen EU-Richtlinien (MiFID). Sie dienen eigentlich dem Anlegerschutz, führen aber dazu, dass Investmenthäuser aus Kostengründen bei den Analysten sparen. Jenen Leuten also, die die Unternehmen bewerten und vielen Anlegern als Entscheidungshilfe dienen. Aber wen die Analysten nicht mehr auf dem Radar haben, der verschwindet von der Bildfläche, der kommt nicht mehr in den regelmäßigen Updates der Finanzagentur Bloomberg vor. Und so waren am Dienstag einige Konzerne mit von der Partie, die den Weg nach New York allein gescheut hätten.

Strabag-Chef Thomas Birtel gibt dies auch unumwunden zu. Einerseits sind nur 13,5 Prozent der Aktien des Baukonzerns in Streubesitz, andererseits meiden US-Investoren Unternehmen, an denen ein russischer Oligarch mehr als ein Viertel der Anteile hält. Doch die Einschätzung täuschte: Zumindest eine Handvoll US-Investoren ließen sich beim „Sound of Finance“ auf ein Tänzchen mit der Strabag ein.

Ob die rot-weiß-rote Roadshow am Ende auch echtes Geld an die Wiener Börse lockt, wird sich weisen. Wirtschaftskammer-General Karlheinz Kopf sieht die Sache dementsprechend nüchtern: „Es geht darum, Börse- und Aktienmarkt zu beleben. Und da gibt es in Österreich noch einiges zu tun und aufzuholen.“

Compliance-Hinweis: Die Reise des Redakteurs nach New York findet auf Einladung des Finanzministeriums statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2019)

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