Slowakei: Betrugsskandal um AKW Mochovce

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In Bratislava hat die Polizei einen italienischen Spitzenmanager festgenommen, bei dem es sich um den früheren Chef des AKW-Betreibers handeln soll.

Bratislava. Als das Passagierflugzeug aus Mailand in Bratislava landete, wartete schon eine Spezialeinheit der slowakischen Finanzpolizei in der Ankunftshalle. Direkt auf dem Flughafen nahmen die Polizisten am Montag einen italienischen Spitzenmanager fest. Auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichte die Polizei noch am selben Tag ein Video, das zeigte, wie der grauhaarige Mann abgeführt und in einen Polizeitransporter verfrachtet wurde.

Die offiziellen Polizeimitteilungen führten den Mann zwar nur mit seinen Initialen, P. R., an, aus der Funktionsbeschreibung und der Begründung der Festnahme schlossen die slowakischen Medien aber, dass es sich nur um den langjährigen Chef der seit 2006 mehrheitlich zum italienischen Energiekonzern Enel gehörenden AKW-Betreibergesellschaft Slovenské elektrárne (Slowakische Elektrizitätswerke SE) handeln könne.

Am Dienstag wurde der inzwischen für eine andere international agierende Energiefirma weiter in der Slowakei tätige Exchef des slowakischen Strom-Monopolisten zwar wieder auf freien Fuß gesetzt, die Ermittlungen gegen ihn laufen aber auf Hochtouren weiter. Ihm und seinem ebenfalls aus Italien stammenden Komplizen N. C. werfen die slowakischen Behörden vor, als führende Manager der SE ihrem Unternehmen einen Schaden von mehr als 22 Millionen Euro verursacht zu haben.

Gegen beide hat die Finanzpolizei eine sogenannte Anschuldigung erhoben; das ist im slowakischen Strafrecht die Vorstufe zu einer Anklage vor Gericht.

Korruption beim AKW-Bau

Im Atomkraftwerk Mochovce sollten schon 2012 und 2013 ein dritter und vierter Reaktorblock in Betrieb gehen. Der Bau verzögerte sich aber immer wieder, wobei sich zugleich die Fertigstellungskosten in intransparenter Weise vervielfachten. Schon seit mehreren Jahren ging die Polizei dem Verdacht nach, dass massive Korruption der Grund für die Verteuerung sei. Bisher waren aber dafür noch keine ausreichenden Beweise ans Licht gekommen.

Immer nervöser wurde in den vergangenen Jahren auch die sozialdemokratisch geführte slowakische Regierung. Der Verkauf der Zweidrittelmehrheit der SE an Enel war nämlich 2006 gegen den Willen der damals noch oppositionellen Sozialdemokraten erfolgt. Sie hatten stets die ihrer Sicht nach für die Slowakei ungünstigen Bedingungen kritisiert. So wurde in dem von Anfang an umstrittenen Verkaufsvertrag festgelegt, dass der mit einem 34-prozentigen Minderheitsanteil einflusslose slowakische Staat auch keine Dividenden aus dem Unternehmen abschöpfen kann, solange Mochovce 3 und 4 nicht in Betrieb gehen.

Neben dem wirtschaftlichen Schlamassel nimmt inzwischen auch die Kritik an der technischen Ausführung zu. Erst vergangene Woche drohte die staatliche Atomaufsichtsbehörde UJD erneut, sie werde vorerst keine Erlaubnis zur Inbetriebnahme der fast fertigen Reaktoren 3 und 4 erteilen, weil noch immer nicht alle Sicherheitsauflagen erfüllt seien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2019)

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