Ohne Rücksicht auf Verluste: USA erhöhen Druck auf den Iran

FILE PHOTO: Iranian women walk on a U.S. flag during a demonstration to mark the 27th anniversary of Iran´s Islamic Revolution in Tehran
FILE PHOTO: Iranian women walk on a U.S. flag during a demonstration to mark the 27th anniversary of Iran´s Islamic Revolution in Tehran(c) REUTERS (MORTEZA NIKOUBAZL)
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Anziehen der US-Sanktionsschraube erhöht Kriegsgefahr und provoziert Spannungen mit Verbündeten.

Washington/Istanbul. Schon bevor die amerikanische Regierung zu Wochenbeginn ihre neueste Strafaktion gegen den Iran offiziell verkündete, kam eine Warnung aus Teheran. Der Iran werde die Straße von Hormuz und damit eine der wichtigsten Ölhandelsrouten der Welt sperren, wenn iranische Öltanker dort nicht mehr verkehren könnten, erklärte der Marinechef der Revolutionsgarden, Alireza Tangsiri. Die Spannungen am Persischen Golf steigen also weiter.

Die Entscheidung der Regierung von Donald Trump, den Iranern möglichst alle Einnahmen aus dem Ölverkauf zu nehmen, verstärkt den Eindruck, dass es Washington in Wahrheit um einen Regimewechsel in Teheran geht. Doch die politischen Kosten einer solchen Politik könnten für die USA weit höher sein als der Nutzen – zumal das amerikanische Vorgehen nur die Hardliner in Teheran stärkt.

„Wir gehen auf null“, erklärte US-Außenminister Michael Pompeo bei der Vorstellung der jüngsten Maßnahmen Washingtons gegen das Mullah-Regime in Teheran: Die US-Regierung beendet alle Ausnahmegenehmigungen für Länder wie Indien, China und die Türkei, die nach Inkrafttreten von US-Sanktionen gegen den iranischen Ölhandel im November vorerst weiter im Iran einkaufen durften, ohne in den Bannstrahl von amerikanischen Sanktionen zu geraten. Ab Mai soll damit Schluss sein.

US-Falken geht es um Sturz des Regimes

Die iranischen Ölausfuhren, die vor den Sanktionen bei etwa 2,5 Millionen Barrel pro Tag lagen, sind seitdem auf etwa eine Million zurückgegangen. Nun sollen nach dem Willen der Trump-Regierung die Exporte völlig gestoppt werden, um die iranische Wirtschaft in die Knie zu zwingen und die Regierung in Teheran zu veranlassen, ihre „destabilisierenden Aktivitäten“ im Nahen Osten einzustellen, wie es offiziell heißt. Demnach soll Irans Einfluss in Ländern wie Syrien, Irak und Jemen begrenzt werden.

Immer offener lassen Pompeo und andere US-Hardliner wie Sicherheitsberater John Bolton jedoch erkennen, dass ihr eigentliches Ziel darin liegt, die Regierung der Islamischen Republik zu stürzen. Erst kürzlich hatte Washington die iranischen Revolutionsgarden, eine wichtige Stütze des Regimes, als Terrorgruppe eingestuft.

Außenpolitische Verwerfungen

Schwere Schäden für Irans Wirtschaft, die auf die Einnahmen von jährlich rund 50 Milliarden Dollar aus dem Ölgeschäft angewiesen ist, sind mit der jüngsten US-Entscheidung absehbar. „Aber was dann?“, fragte der Nahost-Experte Thomas Juneau von der Universität Ottawa auf Twitter. Das Regime in Teheran werde weder kollabieren noch werde es seine aggressive Außenpolitik mäßigen. Auch würden die Iraner kaum zu Gesprächen über strengere Auflagen für das Atomprogramm des Landes bereit sein, ist Juneau überzeugt.

Die Trump-Regierung ignoriert solche Einwände und nimmt auch negative Auswirkungen auf den Ölpreis hin. Der Präsident selbst fordert niedrige Ölpreise zum Wohl der amerikanischen Wirtschaft, doch nach der „Null“-Erklärung von Pompeo zogen die Preise erst einmal kräftig an. Daran konnte auch die Ankündigung nichts ändern, die US-Verbündeten Saudiarabien und die Vereinigten Arabischen Emirate würden die Angebotsausfälle ausgleichen.

Außenpolitisch zeichnen sich ebenfalls Verwerfungen ab. Amerikas Nato-Partner Türkei, der bereits wegen des geplanten Kaufs eines russischen Raketenabwehrsystems mit Washington über Kreuz liegt, kritisierte die neue US-Entscheidung scharf. Die Türkei werde sich nicht vorschreiben lassen, wie es die Beziehungen zu einem Nachbarn wie dem Iran gestalte, betonte Außenminister Mevlüt Cavusoğlu.

Die Beziehungen der USA mit Indien, China und der EU könnten ebenfalls leiden. Die Regierung in Beijing legte bereits Protest gegen das Ende der US-Ausnahmegenehmigungen ein. Auch die EU kritisiert das Vorgehen der Amerikaner, das das Abkommen zur Verhinderung der iranischen Atombombe noch mehr gefährde.

Washington droht eine Blamage

Gleichzeitig riskiert Washington, dass selbst enge Verbündete nach neuen Wegen suchen könnten, um weiter iranisches Öl einführen zu können. Europa zum Beispiel arbeitet an dem Handelsmechanismus Instex, mit dem der Iran-Handel vor amerikanischen Sanktionen geschützt werden soll. Falls Pompeos „Null“ nicht erreicht wird und Iran weiter viel Geld mit dem Ölexport verdient, würde sich Washington auf der Weltbühne blamieren.

Auch die amerikanische Hoffnung auf eine Schwächung des Regimes in Teheran könnte vergebens sein. So haben die Verfechter eines unversöhnlichen Kurses durch die neue Entscheidung Washingtons im Streit mit gemäßigten Politikern ein zusätzliches Argument in die Hände bekommen: Dem Westen sei nun einmal nicht zu trauen, sagen sie. Anhänger einer Verständigung mit Europa und den USA geraten in Teheran immer mehr in die Defensive.

AUF EINEN BLICK

US-Präsident Trump ist im Mai 2018 aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen, das drei Jahre zuvor nicht nur die USA, sondern auch Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland unterschrieben hatten. Danach ließ er die Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft setzen und drohte auch ausländischen Firmen, die weiter Handel mit dem Iran treiben, Strafen an. Im November nahm er zunächst Italien, Griechenland, Taiwan, Südkorea, die Türkei, Indien, Japan und China aus. Diese Ausnahme läuft nun am 2. Mai aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2019)

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