Donaufestival: In Krems nervt Diskurs über Diskurs

Donaufestival Krems nervt Diskurs
Donaufestival Krems nervt Diskurs(c) Donaufestival (Florian Schulte)
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Das Motto des Donaufestivals Krems lautet „Failed Revolutions“: Der Eröffnungstag mit Ja, Panik, Bonaparte aus Berlin und "Deichkind in Müll" scheiterte ziemlich fad.

„Geschreibe auf dem Niveau einer Philosophievorlesung für Erstsemestrige", „ewiggestriger Popdiskurs", „Band für alte Männer": Zur Eröffnung des Donaufestivals ließ sich die fabulöse Band „Ja, Panik" beschimpfen, statt aufzutreten. Das Setting dieses (Non-)Happenings war schlicht, aber effektiv: Die Musiker kamen für einen kurzen Soundcheck auf die stilvoll weiß verkleidete Bühne, dann gingen sie und kamen nicht mehr.

Stattdessen wurde das wartende Publikum auf die Leinwand projiziert, und man hörte Gespräche aus dem Backstage-Bereich: Tour- und Wegbegleiter der Band (darunter der höchst schrullige und sich seiner Schrulligkeit höchst bewusste Liedermacher Hans Unstern) kommentierten die (drohende) Absage der Band, der es nur um Geld gehe, deren Sänger seine Morgendepressionen erst abends mit der ersten „Schorle" in den Griff bekomme . . . Und erst diese Koketterie mit dem Diskurs! Und dieses Donaufestival mit seinen peinlichen Versuchen, längst vergilbte revolutionäre Attitüden zu beleben! Die wollen ja nur die Jugend von der Straße fernhalten! Eine perfide, zynische Veranstaltung! Und dazu dieses lahme Publikum, das sich nicht einmal richtig provozieren lässt: „Euch kann man gar nicht beschimpfen!"

Inzwischen kam die Band doch auf die Bühne - um in aller Ruhe ihre Anlage abzubauen. Niemand protestierte; niemand spielte mit bei dieser Publikumsbeschimpfung. Hätten wir mitspielen müssen? Hätten wir zwischenrufen sollen? Reagieren? Uns „einbringen"? So à la Straßentheater?

Blöd: „Deichkind in Müll"

Aber was. War schon okay. Wir sind ja tolerant. Wenn auch der Diskurs über den Diskurs schon viel mehr nervt als der Diskurs. So wie das Theater über das Theater noch mühsamer ist als das mühsamste Theater. Wie bei „Deichkind in Müll", einer zugleich blöden und prätentiösen „Diskurs-Operette" des deutschen Hip-Hop-Kollektivs Deichkind, dessen Auftritte und Texte normalerweise nur blöd sind. Wer dem widerspricht, soll deutlich sagen, dass er/sie „parodistische" Zeilen wie „Ein Hoch auf die internationale Getränkequalität, ein Hoch auf die internationale Säufersolidarität!" lustig und/oder geistreich findet.

Nein, solche pseudokritischen Flachheiten lassen sich nicht dadurch retten, dass man sie mit einer Inszenierung umgibt, die sich selbst „hinterfragt". Es bringt auch nichts, öffentlich zu debattieren, ob Deichkind eine „politische Band" sind. Das verlangt überhaupt niemand von ihnen, das würde ihnen auch niemand zutrauen, es würde schon reichen, wenn ihr Soziologiestudentenparty-in-der-Hüpfburg-Kabarett nicht so fad wäre, ihre Scherze nicht so plump und geistlos wären.

Was noch? Bonaparte aus Berlin boten betont uncoolen Kostümrock, der sich wenigstens nicht selbst relativierte; Relatively Prime in der Galerie Stadtpark zeigen elektroakustische Installationen (mit prahlerischen Titeln wie „Nonlocality and the Akashic Field"), die in den späten Achtzigern schon anachronistisch gewirkt hätten; Implied Violence spielen Theater, das sich auf ausgesprochen ästhetische Weise selbst genügt und vielleicht auch selbst versteht. Es kann nur mehr besser werden heuer in Krems.

Krems: Was kommt

■ Am Freitag singen u. a. Rufus Wainwright („Songs for Lulu“) und Scott Matthew (akustisch), am Samstag, den 1. Mai, kommen Noise-Ahn Glenn Branca und Alec Empire („Hört die Signale“). ■ Nächste Woche findet das Donaufestival in Krems noch von 6. bis 8. Mai statt. Highlights: Dinosaur Jr., Tindersticks, Peaches. Info: www.donaufestival.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2010)

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