Hitler war Waldviertler, auch wenn er das verbergen wollte

Woher kommst du? Wohin gehst du? Londoner halten Haydn für einen Engländer, obwohl Burgenländer und Ungarn ihn ebenfalls reklamieren.

Wenn deutsche Nachbarn den Klub der Städtefreundschaft im Großraum des Gegengiftsbesuchen, sagen sie spätestens beim Digestiv: „Ja, ihr Wiener Schläucherln (sic!), ihr macht unseren Beethoven zum Österreicher und euren Hitler zum Deutschen!“ Da lächeln wir höflich. Und reden nett über Schubert.

In diese Herkunftsfalle ist soeben ein ORF-Stiftungsrat getappt. Weil er Norbert Steger heißt, wurde sein Beethoven-Hitler-Satz in sozialen Medien aufgegriffen und der Ironie beraubt. Wenn ein Blauer solch derbe Späße macht, ist das offenbar unbotmäßig.

Derartige Eingemeindungen sind jedoch weit verbreitet. Ein frommer Mann aus Augsburg hat mir einmal glaubhaft versichert, Mozart sei Augsburger. Dabei war Amadeus doch – abgesehen von Zwischenstopps im erzbischöflichen Salzburg sowie im imperialen Wien – Italiener! Allein wegen seiner anarchischen Natur und der Sprezzatura seiner Musik.

Freunde in London halten Haydn für einen Engländer, obwohl die Burgenländer ihn ebenfalls reklamieren. Haydn war natürlich Ungar, sagen die Ungarn über diesen Niederösterreicher. So wie Liszt, der in Doborján geboren wurde, aber kaum Ungarisch sprach, weil es im Bezirk Oberpullendorf eben nicht nur Kroaten, sondern auch Deutsch-Österreicher, Roma, Sinti und ein paar Magyaren gab.

Liebe Ahnenforscher: Es kommt nicht darauf an, wo man zufällig in die Welt geworfen wird (um den steirischen Dichter mit dem irreführenden Namen Schwab nachlässig zu zitieren), sondern wo man geprägt wird.

Bei Hitler waren das Linz, die kaiserliche Metropole Wien im Umbruch zur Moderne und zwei deutsche Großdörfer, die sich München und Berlin nennen. Hitler hat den Vielvölkerstaat der Habsburger gehasst, sich vor dem Militärdienst gedrückt und deshalb vor dem Ersten Weltkrieg ins Deutsche Reich abgesetzt. Er sehnte sich nach einem deutschen Pass. Doch nicht einmal die Bayern wollten diesen Rechtsradikalen anfangs einbürgern. Ach, hätten sie ihn doch nach seinem gescheiterten Putschversuch und der Festungshaft, ehe er von 1925 bis 1932 staatenlos war, nur wieder nach Österreich abgeschoben!

Was war er also? Ein Waldviertler. An der Grenze zu Böhmen lebten seine Vorfahren in der Einschicht unter ziemlich inzüchtigen Umständen. Das arme Waldviertel kann nichts dafür. Dutzende Orte hat er dort als Diktator von 1938 bis 1941 plattmachen, an ihrer Stelle einen gewaltigen Truppenübungsplatz errichten lassen. Fast 7000 Menschen wurden umgesiedelt. Und all der Aufwand nur, damit diese dubiose Herkunft vergessen würde.

E-Mails an:norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2019)

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