Wiener Metastudie: Mozart-Effekt widerlegt

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Klassische Musik fördert die Intelligenz nur kurzfristig – und nicht mehr als anderer Kunstgenuss.

Das Hören von klassischer Musik, insbesondere der von Wolfgang Amadé Mozart, speziell der Sonate für zwei Klaviere in D-Dur (KV 448), steigere kurzfristig – für zehn bis 15 Minuten – die räumliche Vorstellungskraft: Seitdem das 1993 eine US-Gruppe um Frances Rauscher in Nature berichtete, spricht man vom „Mozart-Effekt“. Populärwissenschaftliche Autoren schwärmten bald von einer – womöglich dauerhaften – Steigerung der Intelligenz durch Mozart. 1998 veranlasste der damalige Gouverneur von Georgia gar, dass jede Mutter eines Neugeborenen eine Klassik-CD kostenlos erhält, um die Intelligenz ihres Kindes zu steigern. US-Psychologen führen den „Mozart-Effekt“ indessen auf Platz sechs der Charts der größten Mythen der populären Psychologie (erster Platz: Die Idee, dass wir nur zehn Prozent unseres Hirns nutzen).

Für diese Auffassung spricht jetzt eine in Intelligence publizierte Meta-Analyse von Psychologen der Universität Wien um Jakob Pietschnig. Die Auswertung von 39 Studien zu diesem Thema ergab, dass sich kein spezifischer Effekt des Hörens der Mozart-Sonate nachweisen lässt. Zwar ist tatsächlich eine Verbesserung des räumlichen Vorstellungsvermögens – wenn auch viel geringer als in der Arbeit von Rauscher – nachweisbar, diese ist aber nicht stärker als nach der Beschäftigung mit anderen spannenden Inhalten, etwa Romanen von Stephen King.

Einbezogen wurde auch „graue Literatur“, z.B. Diplomarbeiten, die nicht publiziert wurden. Eine statistische Analyse legt überhaupt den Verdacht nahe, dass Arbeiten, die keinen „Mozart-Effekt“ ergaben, tendenziell seltener veröffentlicht wurden. „Ich empfehle jedem, Mozart zu hören“, resümiert Pietschnig, „aber die Erwartung, dadurch eine Steigerung der eigenen kognitiven Leistungsfähigkeit zu erzielen, ist nicht erfüllbar.“ tk

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2010)

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