Turin: Genuss als gemeinsamer Nenner

Straßenbahn in Turin
Straßenbahn in Turin Imago
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Turin ist anders. Ganz anders, als man sich die westlichste italienische Großstadt so vorstellt. Industrie war gestern, denn sogar der emblematische Fiat 500 wurde längst ins Museum verbannt.

Heute besticht die elegante Stadt am Po mit Kunst- und Architekturprojekten, viel Grün, prächtigen Villen und ausgeprägter Kaffeehauskultur. Herrschaftlich, elegant und etwas stolz liegt die ehemalige Hauptstadt der Savoyer vor schneebedeckten Alpen. Der Königspalast und der Palazzo Madama mit Balkonblick auf das 70 Kilometer ferne Frankreich sind geblieben. Ebenso die Liebe zu gutem Essen: Das Piemont ist die Wiege der Slow-Food-Bewegung, die Region steht für Vitello Tonnato, Grissini, Barolo, Martini. Dennoch bleibt Turin unaufdringlich und diskret, hier ein Hinterhof, da ein beschaulicher Platz, dort Arkaden mit Jugendstillampen.

Dass die Stadt im Schachbrett angelegt ist, erleichtert das Flanieren zwischen dem Gemüsemarkt an der Porta Palazzo und der Piazza San Carlo. In den Vitrinen der Confetteria Stratta warten goldverpackte „Gianduiotti“, im Café Bicerin gönnt man sich ein Glas Bicerin (Mischung aus Panna, Kaffee und Schokolade). Die Spina, eine Art Schnellstraße, trennt das einstige Arbeiterviertel von der Crocetta mit ihrem diskreten Charme der Bourgeoisie.

Die Spuren der Fiat-Vergangenheit findet man im Lingotto. Die Produktionsstätte des Automobilherstellers und die legendäre Teststrecke auf dem Dach wurde von Renzo Piano in ein Konferenzzentrum mit Hotels, Shops und Kinos umfunktioniert. Die Autorampe, die sich von oben bis unten durch das Gebäude zieht, sowie La Bolla, eine blaue Kugel auf dem Dach, wurden von Piano beibehalten, als Hommage.

Essen und trinken

Eataly Lingotto: Der Besuch im Food-Gourmetmarkt (2002 von Oscar Farinetti gegründet) ist ein Must. Hier findet man eine reiche Auswahl ausgezeichneter regionaler Produkte – Schokolade, Parmesan, Weine, Pasta. In der ehemaligen Vermouth-Fabrik von Carpano kann man auch an Pastaworkshops teilnehmen oder in den Pop-up-Lokalen vor Ort Spezialitäten kosten. www.eataly.net


Caffè San Carlo: In der Piazza San Carlo 156 findet man eines der Traditionscafés der Stadt. Unter dem Kristallluster gaben sich vor einem Jahrhundert Künstler und Intellektuelle ein Stelldichein. Das Lokal ist auch eine Adresse für ein stilvolles Mittagessen, das dreigängige Menü gibt's ab 22 Euro und wird im (stilleren) Stübchen serviert.

Ristorante Settesì: Ein Geheimtipp. Bei Laura D'Aprile und Alessandro Miniet hat man das Gefühl, wie in ihrer Wohnung zu Gast zu sein. Lampen von Charlotte Perriand und Le Corbusier harmonieren mit Kunstbüchern, Magazinen, Pflanzen, lindgrünen Wänden und Holztischen. Kein Wunder – D'Aprile hat Industrial Design studiert. Miniet werkt in der Küche solo und zaubert Slow Food vom Feinsten auf die Teller. Via Provana 3B. www.settesi.it

Spazio 7: In dem Restaurant in der Fondazione Sandretto Re Rebaudengo (via Modane 16) isst das Auge mit. Chefkoch Alessandro Macca serviert innovative Speisen auf Silikontellern des Künstlers Alessandro Ciffo. Für alle Sinne. www.ristorantespazio7.it

Snodo: Der Kunstkomplex in den einstigen Reparaturwerkstätten der Eisenbahnen hat gleich mit fünf Restaurants inklusive Loungebar im ersten Stock aufzuwarten. Für jede Tages- und Nachtzeit, für jeden Geschmack und jedes Budget das richtige Ambiente. OGR (Officine Grandi Riparazioni), Corso Castelfidardo, 22. www.snodo.com

Einchecken

Doubletree by Hilton Turin Lingotto: Fast könnte man meinen, dass hier Simona Calabrese, die Direktorin, selbst an der eleganten Inneneinrichtung Hand angelegt hat. Sweet Dreams träumen kann man in der ehemaligen Fiat-Fabrik mit der berühmten Teststrecke auf dem Dach. Renzo Piano hat den Charme der Autofabrik in ein Luxushotel mit 142 Zimmern transferiert. Im schlicht-eleganten Restaurant gibt es mediterrane Küche. Das Interiordesign trägt auch hier Pianos Handschrift. Vom Hotel hat man direkten Zugang zu angrenzenden Shops sowie zur Pinacoteca Gianni & Marella Agnelli. Via Nizza 230. www.doubletree.com

Hotel Victoria: Turins einziges Boutiquehotel in der Innenstadt. Die Besitzer sind selbst weit gereist und wissen, was Reisende suchen. Es gibt ein Spa und Leihräder. Der Rahmen ist raffiniert und stilvoll, aber trotzdem gemütlich. Das Hotel liegt in der Fußgängerzone. www.hotelvictoria-torino.com

Grand Hotel Sitea: Das Grand Hotel Turins. sehr zentral, mit elegant eingerichteten Zimmern. Einige Gehminuten von der Piazza Castello und der berühmten Einkaufsstraße Via Roma entfernt. www.grandhotelsitea.it

Einkaufen

Transnatural Shop OGR: Das Design – bunte Glasfenster und skulpturale Sitzbänke – stammt von Marti Guixé. Hier findet man eine inspirierende Auswahl an Kunstbüchern und kleine Geschenke mit einem Arty Touch. OGR. www.ogrtorino.it

Konzeptstore von Giorgina Siviero: Der erste Konzeptstore der Stadt. Auf zwei Etagen finden sich Taschen von Marni, Parfums der Turiner Nase Laura Bosetti Tonatto, die sich am Duft der Kirchen inspiriert (I profumi della Bibbia). Die Adresse der eleganten Turinerin, die auf Stil und Diskretion mehr Wert legt als auf Aufsehen erregende Textilien. Piazza San Carlo 201.

Confetteria Avvignano: Seit 1883 werden hier Pralinen und andere hochkarätige Spezialitäten aus Schokolade angeboten. Der elegante Rahmen passt zu den sorgfältig und liebevoll verpackten Gourmandisen des Traditionshauses. Piazza Carlo Felice 50.

Erboristeria: Gleich neben dem berühmten Café Bicerin scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. In den sich biegenden Holzregalen, die bis zur Decke reichen, stapeln sich hermetisch verschlossene Glasbehälter mit Tees und Kräutern. Piazza della consolata 5.

Superga: Der berühmte gleichnamige Tennisschuh, der in Turin entworfen und kreiert wurde, hat natürlich in situ einen Flagshipstore. Große Auswahl an Modellen des heute zum Klassiker avancierten Schuhwerks. Via Giuseppe Luigi Lagrange, 27.

Die Sights von Turin

Automobilmuseum: eines der berühmtesten wissenschaftlichen Museen der Welt. Von Ferrari- Boliden bis zum Fiat 500. Geschichte der Mobilität innovativ aufgerollt. Futuristisches Gebäude.

OGR (Officine Grandi Riparazioni): Zurzeit the Place to be. Ideenfabrik, Ort für Konzerte und Kunst. In den ehemaligen Reparaturhallen der Eisenbahn. Aufwendig adaptiert. www.ogrtorino.it

Pinacoteca Giovanni e Marella Agnelli: Persönliche Kunstsammlung (Picasso, Modigliani) in den ehemaligen Fiat-Werken. www.pinacoteca-agnelli.it

Museo Lavazza und Nuvola: Museum des Turiner Selfmademans Luigi Lavazza und seiner Kaffeedynastie. Alles über Kaffee. www.lavazza.it

Infos:www.turismoturino.org

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2019)

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