Boris Johnson will EU-Ausstiegszahlung zurückhalten

Boris Johnson
Boris JohnsonGetty Images (Peter Summers)
  • Drucken

Nach dem von May ausgehandelten Brexit-Vertrag sollen 39 Milliarden Pfund über mehrere Jahre an die EU fließen. Hardliner Johnson will die Abmachung kippen.

Der Favorit für den Posten des britischen Premierministers, Boris Johnson, droht Brüssel, die für einen EU-Austritt vereinbarten Zahlungen in Milliardenhöhe zurückzuhalten. Der Brexit-Hardliner sagte am Sonntag der "Sunday Times", er würde die von der Europäischen Union geforderten 39 Milliarden Pfund (rund 44 Milliarden Euro) so lange nicht bezahlen, bis es bessere Bedingungen und "mehr Klarheit" über das weitere Vorgehen gebe. Aus Brüssel gab es zunächst keine Stellungnahme dazu.

"Für den Abschluss eines guten Deals ist Geld ein großartiges Lösungs- und ein großartiges Schmiermittel", sagte Johnson. Er habe es immer merkwürdig gefunden, den gesamten Scheck zu unterschreiben, bevor ein endgültiges Abkommen abgeschlossen sei.

Vergangene Woche hatte bereits US-Präsident Donald Trump den Briten empfohlen, diese Schulden nicht zu bezahlen. Er hatte zudem Johnson bescheinigt, ausgezeichnete Fähigkeiten für die Ämter des Partei- und Regierungschefs zu haben.

Bei den Brexit-Verhandlungen mit der Europäischen Union hatte London zugesagt, eine Schlussrechnung in Höhe von 44 Milliarden Euro zu begleichen. Brüssel pocht darauf, dass London seinen Anteil für gemeinsam getroffene Finanzentscheidungen zahlt - für den EU-Haushalt, gemeinsame Fonds und Pensionslasten.

Klassenclown war einmal

Johnson griff in der "Sunday Times" auch den Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, und Nigel Farage von der neuen Brexit-Partei an. Er verglich sie mit Meeresungeheuern aus der griechischen Mythologe. Nur er könne Großbritannien zwischen (den Monstern) Scylla und Charybdis hindurch in ruhigere Gewässer lenken, so Johnson. Farages neue Brexit-Partei war aus dem Stand heraus in Großbritannien stärkste Partei bei der Europawahl geworden.

Johnson hat große Chancen im Rennen um die Nachfolge der scheidenden Premierministerin Theresa May. Bereits seit einiger Zeit scheint er sich auf die neue Rolle auch äußerlich vorzubereiten: Statt blonder Mähne ließ er sich einen richtigen Haarschnitt verpassen und nahm in den vergangenen Wochen deutlich ab. Auch mit verbalen Fehltritten hält er sich im Vergleich zu früher deutlich zurück. Seine Rolle als eine Art Klassenclown scheint er ablegen zu wollen.

May hatte am Freitag die Führung ihrer Konservativen Partei abgegeben. Sie wird bis Ende Juli auch als Regierungschefin ersetzt. Johnson war im vergangenen Jahr aus Protest gegen Mays Brexit-Kurs als Außenminister zurückgetreten. In seinem damaligen Amt war er allerdings bei seinen Reisen auch in etliche Fettnäpfchen getreten.

Bisher haben elf Politiker ihr Interesse an dem Posten als Chef der Konservativen Partei und damit auch als Regierungschef bekundet. Die offizielle Bewerbungsfrist endet am frühen Abend des Pfingstmontags.

Goves weiße Nase

Das Rennen um den Posten wurde überschattet von Diskussionen um den früheren Kokain-Konsum des Umweltministers Michael Gove, dem auch Chancen als Nachfolger Mays eingeräumt werden. Er habe die Droge vor mehr als 20 Jahren "bei verschiedenen Gelegenheiten" genommen und bedauere dies sehr, sagte der 51-Jährige der "Daily Mail". Er gehe davon aus, dass ihn das nicht für die Bewerbung disqualifiziere.

Am Sonntag legte der Umweltminister mit einem Versprechen nach, sollte er Premierminister werden: Er wolle die Mehrwertsteuer durch ein einfacheres System ersetzen, kündigte er im "Telegraph" an. Kritiker sehen in Gove einen Wendehals.

Zuvor hatte sich ein anderer Kandidat, Entwicklungshilfeminister Rory Stewart, dafür entschuldigt, Opium während einer Hochzeit im Iran geraucht zu haben. "Da war ein sehr dummer Fehler vor 15 Jahren", sagte er in Interviews. Stewart, der auch Schriftsteller ist und beruflich viel Auslandserfahrung hat, gilt im Rennen um Mays Nachfolge als Außenseiter. Mehrere andere Kandidaten hatten früheren Cannabis-Konsum zugegeben, darunter Ex-Brexit-Minister Dominic Raab.

Karas kritisiert Johnsons

Der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, Othmar Karas, hat die Drohung des Favoriten für den Posten des britischen Premierministers, Boris Johnson, scharf kritisiert. Zurückhalten von Zahlungen sei ein Rechtsbruch und lande beim EuGh, schrieb Karas am Sonntag auf Twitter.

Rückzahlungen seien Teil des ausverhandelten Austrittsvertrages. Ohne Rückzahlung werde es keine Zustimmung zum Brexit-Vertrag geben. Johnson verschärfe die Situation und sei nicht Teil einer nachhaltigen Lösung, so Karas.

(APA/Reuters)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

BRITAIN-POLITICS-CONSERVATIVE
Außenpolitik

Boris Johnson fordert Brexit zu Halloween – mit oder ohne Deal

Der britische Premiers-Anwärter und Ex-Außenminister will sich auf einen harten Brexit vorbereiten. Über Rest-Zahlungen an die EU "sollte eine kreative Unklarheit herrschen".
Johnson kämpft mit Außenminister Jeremy Hunt um den Einzug in die Downing Street.
Außenpolitik

Boris Johnson in Erklärungsnotstand

Ein nächtlicher Polizeieinsatz nach einem Streit mit seiner Partnerin bringt den Favoriten um das Amt des neuen Premierministers unter Druck. Doch der 55-jährige Johnson schweigt zu dem Vorfall.
Außenpolitik

May-Nachfolge: Boris Johnson verliert nach Streit mit Freundin in Wählergunst

Ein heftiger Streit mit seiner Lebensgefährtin könnte nun Folgen für den bisherigen Favoriten im Rennen um das Amt des Premierministers haben.
BRITAIN-POLITICS-EU-BREXIT
Außenpolitik

Boris Johnson vor der Krönung

Großbritannien. Von den Tory-Gegenkandidaten ist nach dem letzten Wahlgang nur noch Jeremy Hunt übrig. Doch der hat wohl keine Chance.
Boris Johnson und Außenminister Jeremy Hunt  könnten sich für die Stichwahl der Parteibasis qualifizieren
Außenpolitik

Boris Johnson im Rennen um May-Nachfolge klar vorne

Die britischen Tories entscheiden in einem Abstimmungsmarathon über ihren neuen Parteichef. Auch nach der der vierten Auswahlrunde gilt Boris Johnson als der klare Favorit. Heute Abend soll sein Herausforderer für die Stichwahl feststehen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.