Porsche versus Alpine: Freunde der Kehre

(c) Juergen Skarwan
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Habe die Ehre! Das Wiedersehen zweier, die einmal Rivalen waren

»Es hieß Deutschland gegen Frankreich, nur diesmal mit Sportwagen.«

Über den Mythos Alpine wurden so viele Bücher geschrieben, dass man eine Bibliothek füllen könnte, erst recht gilt das für den 911. Wir wollen einen kleinen, aber schillernden Aspekt aus der Frühzeit der beiden Modelle hervorkehren – als Alpine und Porsche ­einander auf Scheinwerferhöhe gegenüberstanden, auf Europas Rallyestrecken in den späten Sixties und noch lange Zeit später in den Herzen der Fans.
Man konnte ja irgendwie nicht beides sein, mag man den zeitgenössischen Heldensagen glauben, man war entweder Alpinist oder Neunelfer, aber zweifellos konnte man für beide Autos mit gleicher Hingabe entflammen (wenn das kein unpassender Begriff ist in Anbetracht der dünnen Kunststoffkarosserie der Ur-A110). Sicherlich vermochte auch das Patriotische mehr als nur ein Zünglein auf die Waage zu legen: Alpine gegen Porsche, das hieß auch Frankreich gegen Deutschland, nur diesmal mit Sportwagen ausgetragen statt mit Panzern. Und nichts zählte dabei mehr als die alljährliche Höllenfahrt der Rallye Monte Carlo im Jänner, wahrlich die Schrecken des Eises (wenn nicht Schneefahrbahn) und der Finsternis (Nachtetappen).

Der 911 war gerade ein Jahr auf der Welt, als er in den Seealpen an den Start geschickt wurde, als Serienmodell mit auf 160 PS getuntem Motor, kürzerer Getriebeübersetzung, größeren Bremsen und Sportfahrwerk. Nicht, dass ihm irgendwer auch nur ein Durchkommen auf der gefürchteten „Monte“ vorausgesagt hätte. Überhaupt war die sportliche Karriere des Porsche noch keine so klare Sache, von der Presse war er als schneller Reisewagen aufgenommen worden, weniger als taugliche Basis für Renneinsätze. Ganz anders die Alpine, die vom tatkräftigen Renault-Händler Jean Rédélé in der Normandie zu keinem anderen Zweck geschaffen wurde, als Alpenstraßen zu erstürmen.

Die 1965er-Monte war eine der schneereichsten, und nur 22 von 237 gestarteten Autos kamen durch – der rote Porsche sensationell als Gesamtfünfter. Zufallstreffer? Kaum, denn die Jahrgänge ’68, ’69 und ’70 sahen einen oder auch gleich zwei Porsche auf dem Siegertreppchen. Die französischen Fans, die sich an den Sonderprüfungen im eisigen Hinterland den Arsch abfroren, murrten schon.

Bis Alpine zurückschlug: Doppelsieg 1971, Dreifachsieg 1973. Es war das Duell zweier Seelenverwandter, mit dem Motor im Heck und der daraus resultierenden Fahrweise auf Schnee: Praktisch alles quer, der Drift als erquickender Normalzustand. Und als romantische Note mit Ablaufdatum: 1975 war mit dem Lancia Stratos schon wieder alles vorbei, die Ära der hochgezüchteten Rallyetiere, der hochdotierten Werksaufgebote hatte begonnen.

Abgang A110, die keinen direkten Nachfolger bekam und letztlich als Solitär in etwa 7000-facher Ausführung in der Vergangenheit zurückblieb. Da hatte Porsche den längeren Atem gezeigt, aber auch der 911 hatte seine Krisen zu durchleben – es gab Tage, da war er als zukunftstaugliche Kons­truktion ernsthaft in Frage gestellt. Während man aber letztlich bei der Sache blieb, sich von Generation zu Generation in lichteste Höhen des Sportwagenbaus emporschwang, drehte Renault, mittlerweile Inhaber von Alpine, in der Normandie die Lichter ab.

»In spanischer Lizenz kam es zu einer Alpine mit Porsche-Motor.«

Was wäre aus der A110 geworden, wäre es immer weitergegangen, statt für fast vier Jahrzehnte anzuhalten? Diese Frage stellte man sich bei Renault Sport, als das couragierteste Comeback seit Jahren vorbereitet wurde: Leichtgewichtigkeit als Dreh- und Angelpunkt, „Purpose-built“-Chassis fast zur Gänze aus Alu, der Motor vom Heck in Mittelposition verschoben, sauberes Cockpit, behutsam gesetzte Zitate, als Krönung in der Normandie gebaut, mit dem Name des Originals. Die Alpine A110 steht da, als wäre sie nie weg gewesen.
Eine wundersame Wiedergeburt war beim 911 nicht gefragt, stattdessen: Evolution, schleifen, was zu schleifen war. Der Boxer, längst wassergekühlt, mittlerweile Turbo, hockt immer noch im Heck, anders ist es nicht denkbar. Dass sich die Baureihe in höchste Sphären der spekulativen Götzenverehrung abgesetzt hat, dass sich der 911 als Pflichtaccessoire der Innenstadtkanzlei ebenso gut macht wie als Allzwecktool des Hobbyracers, das liegt wohl alles in der gewünschten Bandbreite des originalen Entwurfs von Firmengründer Ferry Porsche (und der Zeitlosigkeit des Designs von F. A. Porsche).



Die Alpine ist ja auch bei ihren Leisten geblieben, war schon als Jean Rédélés Urentwurf nicht als Supercar oder Prestigebomber angelegt, sondern als zweckmäßige Ausstattung für den forcierten Bergstraßenritt, quasi zufällig mit hohen Stilnoten. Wollte man die heutige A110 mit einem Porsche vergleichen, würde man zum 718 Cayman greifen: Mittelmotor, vergleichbar in Preis und Leistung, wenn auch um blamable 340  Kilogramm schwerer. Wir messen aber die alten Rivalen in aller Ungleichheit – allein 200 PS Unterschied! –, und es ist nicht gesagt, wer im Winkelwerk der Hausstrecke das schnellere Auto ist. Erst recht nicht, welches mehr Thrills und Freude bereitet.

Denn richtig dramatisch ist der Leichtbaueffekt der A110 im sportlichen Geläuf, da man später bremsen und früher ans Gas gehen kann. Es spricht für die Qualität der Kons­truktion, dass jede Giftigkeit, schnell ein Thema bei Mittelmotoren, unterblieben ist. Ungebührlicher Fahrwerkshärte ist man keiner ausgesetzt, die Alpine ist im Alltag zumutbar, so man mit der Turnerei in Bodennähe zurechtkommt. Ausführung „Légende“ kommt mit 1a-Sitzen von Sabelt, Multimedia, Rückfahrkamera und Einparkhilfe, zu den empfehlenswerten Extras zählen die Hochleistungsbremsanlage, die sich auf unserer Sonderprüfung nicht beeindrucken ließ, die Alufußstütze für Beifahrer, wenn man mitfühlend ist, und das exzellente, gewichtsoptimierte Soundsystem von Focal.
Im Zentrum des hochvernetzten, volldigitalisierten 911-Cockpits steht ein Drehzahlmesser, das Urmodell zitierend, somit das Gebaren eines Dreiliter-Biturbo-Boxers. Eine Faust im Nacken, denn der Sechszylinder beherrscht alles: entschlossenes Durchgreifen aus niederen Drehzahlen, heiseres Jubilieren am Ende des Drehzahlbands, effizienzoptimiertes Dahinbrummen im Alltagstrott – wenn nicht gleich Segeln im Leerlauf. Auf unserer Hausstrecke zeigt das Auto eine fast humorlose Nüchternheit im Wegbeißen allen Geschlängels, auf einen zarten Schlenkerer der Hinterachse muss man es schon sehr anlegen, selbst die regennasse Fahrbahn vermochte daran wenig zu ändern – ein Eindruck, den die optionale Hinterachslenkung noch befördert. Diese durch Allrad abermals gesteigerte Traktionsgewalt und das fast virtuose Ausspielen einer unbeeindruckten Bremskraft nähren das Zutrauen des Fahrers auf schnellen Ausflügen.

Die Alpine ist 100-prozentig kompetent, reißt den Fahrer im Überschwang mit, ungefiltert und schonungslos direkt, darüberhinaus preislich zugänglicher als der diesbezüglich enteilte Porsche. Und wenn das gar keine Rolle spielt, muss man halt fühlen, wo man hingehört.

(c) Juergen Skarwan

Im Geist der Sixties

Nach langer Pause hat Alpine 2017 ein Comeback hingelegt – mit Leichtigkeit, Mittelmotor-Purismus und erstklassiger Verarbeitung.

Name : Alpine A110 Légende
Preis : 63.900 Euro
Motor : R4-Zylinder-Turbo, 1798 ccm
Leistung : 252 PS
Antrieb : Heckantrieb
Gewicht : 1123 kg
0–100 km/h : in 4,5 Sekunden
Vmax : 250 km/h
Verbrauch : 9,0 l/100 km

(c) Juergen Skarwan

Your average Supercar

Höchste Boxer-Evolutionsstufe, auch preislich: Die achte 911er-Generation rangiert auf dem Niveau von Supercars der 1980er.

Name : Porsche 911 Carrera 4S
Preis : 155.179 Euro
Motor : 6-Zyl.-Boxer-Turbo, 2981 ccm
Leistung : 450 PS
Antrieb : Allrad
Gewicht : 1640 kg
0–100 km/h : in 3,6 Sekunden
Vmax : 306 km/h
Verbrauch : 11,8 l/100 km

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