Walter Lübcke starb durch einen Kopfschuss auf der Terrasse seines Hauses. Ein Verdächtiger wurde festgenommen, er soll schon in den 1990er-Jahren versucht haben, eine Rohrbombe vor einer Asylunterkunft zu zünden.
Im Fall des erschossenen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke in Deutschland sollen Berichten von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung“ Spuren ins rechtsextreme Milieu führen. Der am Samstag festgenommene 45-jährige Tatverdächtige soll der rechtsextremen Szene angehören könnte.
Wie „Zeit Online“ recherchierte, soll der Mann im Jahr 1993 mit einer Rohrbombe eine Asylwerberunterkunft im Bundesland Hessen angegriffen haben. Er soll sie in einem Fahrzeug untergebracht und dieses in Brand gesetzt haben. Doch Bewohner konnten das Auto rechtzeitig löschen, bevor die Bombe hochging. Der damals 20-Jährige wurde zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt. Selbst zu diesem Zeitpunkt war der junge Mann schon als rechtsextrem amtsbekannt: Körperverletzung, Brandstiftung, Verstöße gegen das Waffengesetz.
Auch in anderen deutschen Medien sind Details über das kriminelle Vorleben des nun im Mordfall Lübcke Verdächtigen zu lesen. Der „Spiegel“ berichtet online von einem Urteil wegen Landfriedensbruchs vor zehn Jahren. Damals soll er mit 400 Nationalisten eine Kundgebung der deutschen Gewerkschaft attackiert haben. Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt online von Youtube-Videos, in denen der Mann gesagt habe, dass es Tote geben werde, sollte die Regierung nicht bald handeln.
Die deutsche Regierung will sich nicht an Spekulationen beteiligen. "Wir sollten die Ermittlungen jetzt nicht mit Spekulationen begleiten", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.
Zudem sei "in dieser Phase eine politische Einschätzung nicht das, was man braucht". Bundeskanzlerin Angela Merkel hoffe, "dass man so bald wie möglich klärt, wer Herrn Lübcke erschoss und warum". Auch ein Sprecher des Innenministeriums mahnte, nun zunächst die Ermittlungsergebnisse abzuwarten.
Ein Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft wollte sich auf Anfrage nicht zu den Medienberichten äußern.
Am Montag übernahm außerdem die Generalbundesanwalt die Ermittlungen in dem Fall. Zu den Gründen für die Übernahme wollte sich die Sprecherin der Bundesanwaltschaft nicht äußern. Der Generalbundesanwalt verfolgt Taten terroristischer Vereinigungen. Ermittlungen gegen Einzeltäter kann er aber dann übernehmen, wenn dem Fall wegen dem Ausmaß der Rechtsverletzung und den Auswirkungen der Tat "besondere Bedeutung" zukommt.
DNA-Spuren an der Kleidung des Opfers
Die Ermittler fanden laut deutschen Medienberichten DNA-Spuren an der Kleidung des erschossenen Regierungspräsidenten. Es habe zu der Spur einen Treffer in der DNA-Analyse-Datei gegeben, die beim Bundeskriminalamt liegt. Der 45-Jährige ist demnach polizeibekannt und hat bereits eine schwere Straftat begangen. Damals sei ihm eine DNA-Probe entnommen und in der Datenbank gespeichert worden. Bisher soll der Verdächtige zu den Vorwürfen schweigen.
Der 65-jährige Lübcke war in der Nacht auf den 2. Juni gegen 0.30 Uhr auf der Terrasse seines Wohnhauses in Wolfhagen-Istha entdeckt worden. Er hatte eine Schussverletzung am Kopf und starb kurz darauf. Als Chef des Kasseler Regierungspräsidiums, einer Behörde zwischen Landesregierung und Gemeinden, hatte er immer wieder Morddrohungen erhalten. Auslöser waren vor allem Lübckes Stellungnahmen im Jahr 2015 über eine mögliche Unterbringung von Flüchtlingen in Nordhessen. Auch diesen Frühling gab es erneut Drohungen, nachdem die Ex-CDU-Politikerin Erika Steinbach Lübckes damalige Aussagen auf Facebook geteilt hatte. Ein User postete eine Waffen-Meme mit dem Text „Los Walther, Aufräumen!!!“. Ein weiterer schrieb: „Sie stehen auf er sogenannten schwarzen Liste .Besorgen Sie sich schon mal einer Unterkunft außerhalb Deutschlands“, berichtete die ARD Tagesschau.
Nach dem Tod des bei Mitarbeitern als äußerst beliebt geltenden Lückbke hatten hasserfüllte und hämische Reaktionen aus der rechten Szene im Internet für Empörung gesorgt. Der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier sagte, wie sich manche in sozialen Netzwerken geradezu hermachten über dessen Tod, sei "zynisch, geschmacklos, abscheulich, in jeder Hinsicht widerwärtig". Er hinterlässt eine Frau und zwei erwachsene Kinder.
(APA/dpa)