Nahost-Plan: Geld statt Staat für Palästinenser?

Donald Trump – mit Schuhsohle und Brandherden – auf einem Graffito in Gaza-Stadt: Auf den „Jahrhundertplan“ des US-Präsidenten reagiert man hier ablehnend.
Donald Trump – mit Schuhsohle und Brandherden – auf einem Graffito in Gaza-Stadt: Auf den „Jahrhundertplan“ des US-Präsidenten reagiert man hier ablehnend.(c) APA/AFP/MOHAMMED ABED
  • Drucken

Diplomatie. Donald Trump will am Dienstag seinen „Jahrhundertdeal“ für den Nahen Osten vorstellen. Die Palästinenser will er mit Finanzhilfen überzeugen, auf einen Staat zu verzichten. Die Skepsis ist aber groß.

Istanbul. Fruchtbare Felder, sauberes Wasser, glückliche Menschen: Mit Fotos eines idyllischen Lebens in den Palästinensergebieten wirbt die US-Regierung seit Samstag auf der Website des Weißen Hauses für ihren Nahost-Friedensplan.

Das Programm „Frieden zu Wohlstand“ soll in den kommenden zehn Jahren mehr als 50 Milliarden Dollar an Investitionen in den Gazastreifen und ins Westjordanland bringen, klammert aber die politischen Wurzeln des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern aus. In den arabischen Ländern stößt die US-Vision auf breite Ablehnung. Allerdings wird die Kritik nur diskret geäußert, weil die Regierungen angesichts ihres schwelenden Streits mit dem Iran die Schutzmacht USA nicht verärgern wollen.

Der Iran stilisiert sich gern als einzig echter Beschützer der Palästinenser. Aus Teheran kam erwartungsgemäß Kritik an dem Plan, der mit der „Würde einer Nation“ spiele. Aufgrund der Spannungen zwischen schiitischem und sunnitischem Machtblock in Nahost ist der Palästinenserkonflikt seit einiger Zeit in den Hintergrund gerückt.

An diesem Dienstag aber will der US-Nahost-Beauftragte und Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump, Jared Kushner, den Plan bei einer Konferenz in Bahrain vorstellen. Den „Deal des Jahrhunderts“ verspricht Trump den Israelis und den Palästinensern seit seinem Amtsantritt 2017. Er will einen Konflikt beenden, an dem sich alle amerikanischen Regierungen der vergangenen Jahrzehnte die Zähne ausgebissen haben. Kushner möchte mit seinem Plan eine Million neue Arbeitsplätze für die Palästinenser schaffen und Armut bekämpfen.

Kein unparteiischer Vermittler

Ein unparteiischer Vermittler ist Trump nicht: Er hat Israel unter anderem durch die Verlegung der amerikanischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem gestärkt und Hilfsgelder für die Palästinenser gekürzt.

Der Nahost-Gesandte Kushner hat seit über einem Jahr nicht mehr mit den Palästinensern geredet, was ihn nicht weiter zu stören scheint. Er sei nicht im Amt, um das Vertrauen der Palästinenser zu erwerben, sagte Kushner kürzlich. „Wenn man zwei Staaten sagt, heißt das eine Sache für die Israelis und es heißt eine andere Sache für die Palästinenser“, so der Berater bei einer Veranstaltung des Washington-Instituts für Nahost-Politik. „Also haben wir gesagt, lass es uns einfach nicht sagen.“ In einem Interview des Nachrichtenportals Axios beim Kanal HBO antwortete Kushner ausweichend auf die Frage, ob er die Palästinenser überhaupt für in der Lage halte, sich selbst zu regieren. „Die Hoffnung ist, dass sie im Lauf der Zeit fähig werden können zu regieren.“

Unter Palästinensern lösten die Aussagen des Präsidentenberaters und Trump-Schwiegersohns Empörung aus. Viele erwarten daher nicht den Deal, sondern den Fehlschlag des Jahrhunderts.

Palästinenservertretung kommt nicht

Kritiker werfen Trump und Kushner vor, sie wollten den Palästinensern mit viel Geld das Recht auf Selbstbestimmung abkaufen und die dauerhafte israelische Besetzung palästinensischer Gebiete legitimieren. Der politische Teil des Friedensplans, der erst nach den israelischen Neuwahlen im September vorgestellt werden soll, verabschiedet sich laut Medienberichten von der sogenannten Zwei-Staaten-Lösung, der friedlichen Koexistenz von Israel und einem Palästinenserstaat. Damit wirft Trump einen Grundsatz amerikanischer Nahost-Politik über Bord.

Zur Verwirklichung ihrer Pläne setzen die Geschäftsleute Trump und Kushner vor allem auf die Macht des Geldes. Kushners Friedensplan gleiche eher der Marketingbroschüre eines Immobilienunternehmers als einem detaillierten Vorschlagspaket, schrieb die Nahost-Expertin Tamara Cofman Wittes von der Denkfabrik Brookings Institution auf Twitter.

In Bahrain will Kushner mit arabischen Regierungen über den Plan reden. Die Palästinenserregierung hat eine Einladung abgelehnt. Die PLO-Politikerin Hanan Aschrawi betonte, gebraucht werde eine politische Lösung. Die radikal-islamische Hamas, die den Gazastreifen regiert, brachte ihre Haltung auf die Formel: „Palästina ist nicht käuflich.“

Amerikanische Verbündete wie Saudiarabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Ägypten werden bei dem Treffen in Bahrain erwartet. Auch israelische Geschäftsleute reisen nach Manama, doch große Hoffnungen sollte sich Kushner nicht machen. Länder wie Libanon und Irak ignorieren die Konferenz in Bahrain völlig.

Einige arabische Medien und Parteien kritisierten Kushners Plan als „kolossale Zeitverschwendung“ und „Totgeburt“. Offenbar aus Furcht vor allzu amerikakritischen Kommentaren muslimischer Geistlicher ließ Saudiarabien einige prominente Kleriker vorsorglich in Haft nehmen. Selbst die Anwesenheit arabischer Partner bei dem Treffen in Manama signalisiert nicht unbedingt entschlossene Zustimmung zu Kushners Plan. Ein arabisches Gipfeltreffen unter Führung Saudiarabiens hat erst kürzlich die Rechte der Palästinenser betont.

In Manama dürfte es für Kushner deshalb nicht viel zu holen geben. Manche arabische Regierungen nähmen an der Konferenz wohl nur teil, um sich in Zeiten schwerer Spannungen mit dem Iran das Wohlwollen der Trump-Regierung zu erhalten, ließ sich ein US-Regierungsvertreter von der Nachrichtenagentur Reuters zitieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

UN-Vertreter nennt Nahost-Friedensplan der USA "naiv"

Er setze keine großen Hoffnungen in den Plan, mit dem die Trump-Administration den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern lösen will, sagt der Chef des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge.
U.S. President Donald Trump visits Britain
Außenpolitik

„Palästinenser können sich nicht regieren“

Jared Kushner brüskiert Palästinenserführung.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.