Italien: Rechtsextreme Prügelaffäre in Rom

Seit einem Jahr regiert in Italien die Fünf-Sterne-Bewegung zusammen mit der rechten Lega von Matteo Salvini.
Seit einem Jahr regiert in Italien die Fünf-Sterne-Bewegung zusammen mit der rechten Lega von Matteo Salvini. (c) REUTERS (Alessandro Garofalo)
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In Rom wurden Mitglieder einer Kulturinitiative von rechtsextremen Studenten verprügelt. Innenminister Salvini hält sich mit verurteilenden Statements auffallend zurück.

Rom. Ein Faustschlag – und die Nase von David Habib war gebrochen. Auf Facebook postet der 20-Jährige ein Foto: Die Nase dick verbunden, das bordeauxrote T-Shirt mit Blut befleckt. Um dieses T-Shirt ging es vor wenigen Tagen, wenn nicht um viel mehr.

„Du trägst das T-Shirt vom Cinema America“, hatten junge Männer in den Straßen von Rom Habib zugerufen. „Du bist ein Antifaschist. Zieh' es sofort aus und hau ab!“

Das rote T-Shirt mit dem orangen Emblem des Cinema America kennt man in Rom. Seit fünf Jahren veranstalten junge Leute von der gleichnamigen linken Kulturinitiative im Sommer das Open-Air-Kino auf der Piazza San Cosimato im Bezirk Trastevere. An 60 Abenden werden gratis Filme gezeigt – und nicht nur das: Auch die Granden des Kinos lassen sich gern auf die kleine Piazza bitten. Die 400 Sessel reichen schon nicht mehr. Viele Besucher bringen Hocker mit oder sitzen auf Decken auf dem Boden. Und immer mehr tragen dieser Tage das rote T-Shirt, das sonst die Mitarbeiter der Initiative anhaben.

Hohes Gewaltpotenzial links – rechts

Sie tragen es als Signal. Denn der Angriff auf David Habib und drei seiner Freunde des Vereins war mehr als eine nächtliche Prügelei unter jungen Leuten. Vier der zehn Angreifer konnten bisher identifiziert werden. Sie gehören dem militanten „Blocco studentesco“ an, der studentischen Organisation der rechtsextremen Kleinstpartei „Casapound“. Und der Vorfall gilt als politisches Delikt im politisch aktuell mehr als ohnehin üblich aufgeheizten Italien. Er deutet auf ein hohes Gewaltpotenzial zwischen linken und rechten Gruppen hin.

Das T-Shirt des Cinema America ist nun ein Verkaufsschlager. Eine junge Frau steht am Stand auf der Piazza San Cosimato – die Größe S ist vergriffen, sie streift sich die Größe M über. „Ich kenne euch schon lange, aber ich habe nie daran gedacht, mir euer T-Shirt zu kaufen“, sagt sie zu den Verkäufern. „Jetzt ist es mir aber wichtig. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas in Trastevere passieren könnte. Aber das Klima ist eindeutig rauer geworden durch die neue Regierung.“

Seit einem Jahr regiert in Italien die Fünf-Sterne-Bewegung zusammen mit der rechten Lega von Matteo Salvini. Premierminister Giuseppe Conte verurteilte die Tat, allerdings unter Vorbehalt. „Wir warten die Prüfung des Falls ab. Aber sollte es so sein, wie es scheint, wäre es ein schlimmer Vorfall, der durch die ideologische Intoleranz noch verschlimmert würde.“

Auch der rechtsnationale Innenminister Matteo Salvini äußerte sich: „Ich bin glücklich, dass die Polizei einige der Angreifer identifizieren konnte, die die Gruppe des Cinema America verprügelt haben.“

Ein rechter Held der Twitterwelt

Doch die „Ragazzi“ des Cinema America, wie sich die Gruppe nennt, möchten mehr von Salvini. „Er hat nicht die sozialen Netzwerke genutzt, um uns seine Solidarität auszudrücken“, sagt Valerio Carocci. „Aber es ist wichtig, dass es eine ehrliche Solidaritätsbekundung gibt, über Facebook, so wie er es macht, wenn er Migranten angreift.“

Mehr als drei Millionen Menschen folgen Innenminister Salvini auf Twitter. Dort postet der Lega-Chef täglich Botschaften an seine Fans – und kommentiert gern Straftaten, die von Migranten begangen wurden. Über den Angriff auf die Leute vom Cinema America ist dort bis heute nichts zu finden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2019)

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