„Child's Play“: Diese Mörderpuppe will nur geliebt werden

Chucky ist nicht nur zum Spielen da.
Chucky ist nicht nur zum Spielen da.(c) Eric Milner
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1988 war es der Geist eines Killers, im gelungenen Remake „Child's Play“ ist es ein Softwarefehler, der aus einer Puppe einen brutalen Bösewicht macht. Dabei braucht Chucky doch nur eine Vaterfigur, oder?

Chucky, die Mörderpuppe, zählt zur Riege jener Bösewichte aus dem Slasherkino der 80er- und frühen 90er-Jahre, mit denen man als früh geborener Millennial aufgewachsen ist. Zugleich war es die Zeit, in der Steven Spielberg – auch als Reaktion auf den Anstieg der Scheidungsraten – das Motiv des abwesenden Vaters im Mainstreamkino installierte. Während seine melancholischen Helden warmherzigen Wunderwesen begegneten, kehrte das Prinzip väterlicher Autorität im Horrorgenre jener Tage in der pervertierten Gestalt von obszönen und sadistischen Wiedergängern zurück, gegen die sich vor allem Kinder, Frauen und feminine Burschen zur Wehr setzen mussten.

Was den ersten „Chucky“-Film so besonders und extrem unheimlich machte, war, dass darin eine alleinerziehende Mutter und ihr Bub von einem ultrabrutalen Machotypen malträtiert wurden, der ihnen in der figürlichen Nachbildung eines niedlichen Kindes entgegentrat. Der Schock, der durch den abrupten Wechsel der friedlichen Puppenmiene zur wutverzerrten Fratze eines gewalttätigen Mannes ausgelöst wurde, prägte sich ein. Dem aktuellen Remake des 1988 erschienenen Klassikers – es heißt „Child's Play“ wie auch sein Vorbild im englischen Originaltitel – fehlt dieser Effekt. Das in Wohlfühlwerbespots angepriesene Spielzeug ist hier kein Wirt für die Seele eines getöteten Killers, sondern ein Hightechgerät mit einer Fehlfunktion, die ihren Ursprung in den Beschäftigungsverhältnissen – die satirische Kapitalismuskritik ist offensichtlich – in einer vietnamesischen Fabrik hat. Ein gefrusteter Billiglohnarbeiter löscht dort einem Exemplar die Aggressionsblockade von der Festplatte. Entfesselt wird Chuckys Gewaltpotenzial aber erst durch die Traumatisierungen, die er im Haus der überarbeiteten Mutter und ihres einzelgängerischen Sohnes an der Schwelle zur Pubertät erleidet.

Frühkindliche Zurückweisung

Der 13-jährige Andy gibt dem Roboterbuben zu spüren, dass ihn seine Künstlichkeit befremdet und seine Anhänglichkeit nervt. Als Liebesbeweis tötet der Geschmähte daraufhin die störrische Hauskatze und nimmt den Wunsch Andys, ein machtvoller Rivale möge doch endlich verschwinden, wörtlich. Nach seiner Verbannung in den Hausmüll entbrennt in dem narzisstisch gekränkten Geschöpf schließlich wahnhafte Rachsucht. „Child's Play“ ist zuweilen ein ernst zu nehmendes Psychodrama über die folgenschwere Erfahrung frühkindlicher Zurückweisung. Die Auseinandersetzung mit dem Verlust väterlicher Autorität, die den Originalfilm prägte, wird hier auf andere Weise fortgesetzt. Andy versagt an seiner Rolle als Ersatzvater für Chucky, sperrt ihn sogar mehrfach in den Kleiderkasten. Hätte er netter oder strenger zu ihm sein sollen? Oder ist wirklich nur die Fehlfunktion schuld?

Dass die moderne Puppe sentimentale Lieder singt und keinerlei Coolness erkennen lässt, prädestiniert sie von Anfang an zum gekränkten Außenseiter. Der Kontrast zwischen ihrer altmodischen Erscheinung als fröhlicher Latzhosenträger und ihren sadistischen Morden als ethisch indifferenter Dämon des Internetzeitalters, der durch seine Verknüpfbarkeit mit anderen Geräten omnipotente Kräfte besitzt und seine Videofunktion zur Überwachung seiner Opfer nutzt, erzielt eine abgründige und zugleich komödiantische Wirkung. Eingefleischte „Chucky“-Fans dürften den politisch inkorrekten Humor aus den alten Filmen zwar vermissen, aber für sich genommen ist „Child's Play“ erstaunlich gelungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2019)

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