Anpfiff!

Der Anpfiff, das ist so ein Moment, in dem sich sozusagen das Wasser der Zeit teilt.
Der Anpfiff, das ist so ein Moment, in dem sich sozusagen das Wasser der Zeit teilt.(c) Michaela Bruckberger
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In der Hitze des englischen Sommers wird wieder Fußball gespielt.

Im Wüten der ganzen Welt gibt es ein Signal, das ein Fußballfan unter allen anderen Geräuschen kristallklar heraushört. Das ist der Moment, in dem der Referee ein Fußballspiel anpfeift. In diesem einen Augenblick verstummt alles andere, da versinkt die übrige Welt und sind alle Sinne auf den grünen Rasen gerichtet. Der Anpfiff, das ist so ein Moment, in dem sich sozusagen das Wasser der Zeit teilt.

Doch nur um einen Augenblick später umso wilder zu fließen und zu schäumen, egal, ob es sich um eine Partie der U-9-Knaben zwischen Bracknell Forest und Popesford FC oder eine Begegnung der besten Mannschaften des Landes, Manchester City und Liverpool, handelt, die heute den Ligaauftakt geben. An der Outlinie werden biedere Mittelklasseväter zu prolligen Bestien, wenn ihr Wunderkind um ein Tor betrogen wird. Im Stadion toben die Fans, wenn der Schiedsrichter die (ihrer Meinung nach) falsche Entscheidung trifft.

Wie jede Saison wird auch die neue jetzt 38 Runden an Klagen bringen: über Fehlentscheidungen, vergebene Chancen, unfaire Auslosungen, irreguläre Platzverhältnisse oder dumme Interviewfragen. Und ebenso werden es 38 Runden der großen Freuden und der kleinen Triumphe sein: hier ein Wundertor, da ein Außenseitersieg. Dass David Goliath jederzeit ein Bein stellen kann, darin liegt (fast) der ganze Sinn einer Fußballmeisterschaft.

Und die Fans werden wieder jubeln und jammern, singen und schimpfen, vergöttern und verdammen. Doch in dem Moment, in dem der Referee das Spiel anpfeift, da ist die Welt kurz in Ordnung, selbst, wenn sie's nicht ist.

aussenpolitik@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2019)

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