Der mächtige Schalke-Boss redet sich ins Abseits

30 06 2019 Fussball Saison 2019 2020 Bundesliga Mitgliederversammlung des FC Schalke 04 Aufsic
30 06 2019 Fussball Saison 2019 2020 Bundesliga Mitgliederversammlung des FC Schalke 04 Aufsicimago images / RHR-Foto
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Die Saisonvorbereitung auf Schalke wird von einem Rassismus-Eklat überschattet. Vereinsboss Clemens Tönnies ist angezählt. Heute muss er sich vor dem Ehrenrat des Bundesliga-Klubs verantworten.

Berlin/Gelsenkirchen. Vor sechs Monaten hat der deutsche Fußball-Bundesligist Schalke 04 das Talent Rabbi Matondo verpflichtet. Der walisische Flügelspieler ist 18 Jahre jung. Und genauso lang ist Clemens Tönnies, im Brotberuf Deutschlands größter Fleischfabrikant, der starke Mann auf Schalke. Man kann also durchaus von einer Ära sprechen, die in diesen Tagen unrühmlich zu Ende gehen könnte.

Nach einer rassistischen Entgleisung droht dem Schalke-Boss das Aus. Heute, Dienstag, muss sich der 63-Jährige vor dem Ehrenrat des Klubs verantworten. Drei Juristen, ein Steuerberater und ein Pfarrer werden dann ihr Verdikt sprechen. Sie könnten Aufsichtsratschef Tönnies verwarnen, sie könnten ihn aber auch suspendieren. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Tönnies selbst die Reißleine zieht und sein Amt ruhend stellt. Denn seit seinem Auftritt beim „Tag des Handwerks“ in Paderborn ist der Milliardär angezählt. Tönnies sprach dort über den Klimawandel. Er riet von Steuererhöhungen ab und empfahl stattdessen die Finanzierung von Kraftwerken in Afrika. „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen und sie hören auf, wenn's dunkel ist, Kinder zu machen.“ Im Publikum gab es Beifall. Der Aufschrei folgte später.

Tönnies hat sich seither scheibchenweise entschuldigt. Er nannte den Satz „töricht“. Er erklärte, er sei über sich selbst bestürzt und dass er eigentlich sagen wollte, „dass wir in Afrika in großem Umfang investieren müssen und damit viel mehr zur Lösung der Klimaprobleme beitragen können als durch Klein-Klein-Maßnahmen in Deutschland.“ Aber die Empörungswelle hat das nicht gebrochen. Inzwischen hat sich selbst Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) eingeschaltet und Tönnies „dumpfen Rassismus“ vorgeworfen. Der Jüdische Weltkongress verlangte seinen Rücktritt. Die meisten Kommentare in den deutschen Medien zielten in dieselbe Richtung.

Tönnies hat schon immer polarisiert. Er ist bekannt für flapsige, teils unüberlegte Aussagen und seine interessengeleitete Männerfreundschaft mit Wladimir Putin.Zuletzt stand er sportlich in der Kritik. Sein Traditionsklub aus dem Ruhrpott schaffte nur mit viel Mühe den Klassenerhalt – Platz 14. „Die letzte Saison war scheiße“, sagte Tönnies dazu auf der Mitgliederversammlung im Juli. Er räumte Fehler ein und wurde mit mageren 59 Prozent wiedergewählt. Im Brotberuf läuft es besser. 2018 machte sein Fleischkonzern 6,6 Milliarden Euro Umsatz. 21 Millionen Schweine wurden geschlachtet. Aber auch an dieser Front gibt es immer Ärger, zum Beispiel wegen illegaler Preisabsprachen.Tönnies hatte den Konzern mit seinem 1994 verstorbenen Bruder Bernd aufgebaut. Mit dessen Sohn Robert liefert er sich seit Jahren einen Rechtsstreit, der zuletzt wieder aufgeflammt ist.

Aber zurück zur jüngsten Affäre: Gerald Asamoah hat auf Schalke Kultstatus. Elf Jahre lang trug er das Trikot der Köngsblauen.Heute betreut der in Ghana geborene, ehemalige deutsche Nationalspieler die Schalker U-23-Mannschaft. Was Asamoah sagt, hat also Gewicht im Klub. Tönnies' Afrika-Satz hat ihn „schockiert“:„Er beleidigt mich und alle anderen Betroffenen.“ Zu den „Betroffenen“ zählen auch aktuelle Schalke-Profis, darunter der 18-jährige Matondo: Sein Vater stammt aus dem Kongo.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2019)

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