Der Doktor verliert den Anschluss

Nur noch ein Schatten seiner selbst? Motorradikone Valentino Rossi.
Nur noch ein Schatten seiner selbst? Motorradikone Valentino Rossi.(c) REUTERS (DAVID W CERNY)
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Valentino Rossi ist nach wie vor einer der größten Sportstars der Welt. Doch heuer fährt der mittlerweile 40-jährige Yamaha-Pilot meist hinterher. Wann verlässt der Altmeister die Bühne?

Spielberg/Wien. Die „46“ ist in Wahrheit vierzig. Aber sein Alter sei nur eine Zahl, die ihn nicht weiter interessiere, sagte Valentino Rossi einmal. Im Februar, wenige Wochen vor dem Auftakt zu seiner 20. Saison in der Königsklasse des Motorradsports, feierte „Il Dottore“ seinen runden Geburtstag zu Hause auf seiner Motor-Ranch in Tavullia inmitten von Weinbergen und Olivenbäumen. Weltstars des Sports wie Lewis Hamilton, Sebastien Loeb, Rafael Nadal, Roger Federer und Diego Maradona richteten ihre Glückwünsche aus.

Was dann aber folgte, war eine der bisher schwächsten Saisonen in der Karriere des neunfachen Weltmeisters. Mit nur 80 Punkten war Rossi zuletzt in seiner Premierensaison 1996 (125-cm?-Klasse) in die Sommerpause gegangen. Vor dem Rennwochenende in Spielberg (Qualifying MotoGP 14.10 Uhr, Rennen Sonntag ab 10 Uhr, je live Servus TV) ist der Publikumsliebling nur WM-Sechster. Für Rossi, der auf 393 Rennen, 115 Siege und 234 Podestplätze zurückblickt, ist das Problem klar: Seine Yamaha, mit der er vier seiner sieben Moto-GP-Titel gefeiert hat, ist nicht konkurrenzfähig.

Ungewohnte Fehler

Seit 2013 fährt Rossi wieder für die Japaner, am vergangenen Wochenende in Brünn reichte es für Platz sechs mit neun Sekunden Rückstand. Danach forderte er: „Yamaha muss intensiv am Motor arbeiten. Wir verlieren beim Beschleunigen, aber auch beim Topspeed liegen wir weit zurück.“ Im Schnitt fehlten neun km/h auf die Hondas und Ducatis an der Spitze. Zudem erklärte Rossi, dass die Yamaha M1 zu sensibel auf wechselnde Bedingungen reagiere. „Wir müssen etwas Großes finden, um den Rückstand zu verkleinern.“

Aber es liegt nicht nur am Motorrad. Rossi begeht mittlerweile Fehler, die man so von ihm nicht gewohnt war. Im Juni schied er bei drei Rennen in Folge aus, darunter bei seinem Heim-Grand-Prix in Mugello. Noch nie in seiner Karriere war Rossi drei Mal hintereinander ohne WM-Punkt geblieben. Sein bisher letzter Sieg liegt nun über zwei Jahre zurück (Assen 2017), der bisher letzte WM-Titel (2009) schon zehn Jahre. Angesichts dieser Zahlen kamen zuletzt Gerüchte über das eigentlich Undenkbare auf: ein mögliches Karriereende des Superstars.

Fragen in diese Richtung werden vom Rossi-Lager meist abgeblockt, vergangene Woche erklärte der Altmeister schließlich: „Die Meldung, die meinen Rücktritt ankündigt, ist falsch und unbegründet. Ich fahre dieses und nächstes Jahr. Daran bestand nie ein Zweifel.“ Bis Ende 2020 hat der Yamaha-Werksfahrer noch einen Vertrag, die Japaner betonen, es solle auf keinen Fall der letzte sein.

Ob Rossi aber noch an den zehnten WM-Titel glaubt? Er sagt, er hätte nie gedacht, mit 40 Jahren überhaupt noch Motorradrennen zu fahren. Aber: Solange er um Podestplätze kämpfen kann, werde er auch weitermachen. Mehr Titel (15) und Siege (122) hat ohnehin nur Landsmann und Rekord-Champion Giacomo Agostini.

Zu den vermögendsten Sportlern des Planeten gehört der Italiener schon jetzt. Mehr als eine halbe Milliarde Euro soll er während seiner Karriere an Gehältern und Sponsorengeldern eingenommen haben. Auch die Marketing-Maschine mit seinem VR46-Imperium läuft auf Hochtouren (mit Startnummer 46 ist schon sein Vater Graziano gefahren).

Mit seiner 2013 gegründeten VR46-Akademie kümmert er sich um den italienischen Nachwuchs. Geschult wird auch auf seiner Ranch, zu der man nur mit Einladung Zutritt hat. Mit Francesco Bagnaia hat es 2019 der zweite VR46-Pilot nach Franco Morbidelli in die MotoGP geschafft. Auch Marco Bezzecchi, Pilot des KTM-Tech-3-Teams in der Moto2, ist Mitglied der Rossi-Akademie.

Bangen vor dem Abschied

Mit ihrem Helden in der sportlichen Krise fürchten Rossi-Fans nun aber vor allem einen Augenblick: Der erst 26-jährige Spanier Marc Márquez, der auch in Spielberg das Tempo vorgibt, hält bereits bei sieben WM-Titeln und hat damit nur noch zwei weniger als Rossi. Was also, wenn der Altmeister wirklich 2020 abtritt – und gleichzeitig Márquez selbst neunfacher Weltmeister wird? (joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2019)

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