Prozess wegen Komplikationen bei Sterbehilfe für demenzkranke Frau

So einen Prozess hat es in den Niederlanden noch nicht gegeben. Die zum Zeitpunkt der Sterbehilfe nicht mehr klare Patientin musste festgehalten werden, nachdem das Beruhigungsmittel nicht ausreichend gewirkt hatte.

Wegen Sterbehilfe für eine schwer demenzkranke Frau muss sich in den Niederlanden seit Montag eine Ärztin vor Gericht verantworten. Sie hatte der 74-jährigen Patientin, die in einem frühen Krankheitsstadium den Wunsch nach Sterbehilfe geäußert hatte, ein Beruhigungsmittel verabreicht, obwohl die Frau es sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft möglicherweise noch einmal anders überlegt hatte.

Die Patientin der inzwischen nicht mehr praktizierenden Ärztin litt unter Alzheimer im fortgeschrittenen Stadium. Die Ärztin hatte ihr im Jahr 2016 ein Schlafmittel in den Kaffee getan, um den Prozess der Sterbehilfe einzuleiten. Als die Frau nach Einnahme des Mittels jedoch nochmals aufwachte, bat die Beschuldigte die Angehörigen, die Frau bis zur Vollendung der Sterbehilfe festzuhalten.

Erster Prozess dieser Art

Der Ärztin drohe eine Anklage, weil sie sich nicht an die strikten Richtlinien für Sterbehilfe gehalten habe, teilte Vincent Veenman, Sprecher der Staatsanwaltschaft, mit. "Es ist der erste Prozess dieser Art." Die Niederlande hatten am 1. April 2002 als erstes Land weltweit Sterbehilfe legalisiert. Sie ist allerdings nur dann erlaubt, wenn der Patient den Antrag dafür bei vollem Bewusstsein stellt und unter einer unheilbaren Krankheit und unerträglichen Schmerzen leidet. Jeder Fall muss einzeln von einer Kommission geprüft und genehmigt werden.

In dem jetzt zu prüfenden Fall hatte die ärztliche Behandlung vier Jahre vor dem Tod der Frau begonnen, als sie die Alzheimer-Diagnose erhielt. Laut Staatsanwaltschaft stellte sie einen Antrag auf Sterbehilfe für den Fall, dass sie in ein Heim für Demenzkranke eingewiesen werden müsste. Dem staatlichen Rundfunksender NOS zufolge erklärte sie: "Ich möchte selbst entscheiden (wann ich sterbe), solange ich bei Bewusstsein bin, und wenn ich denke, es ist der richtige Zeitpunkt."

Kurz nachdem sie in ein Pflegeheim kam, befand ein auf Altenpflege spezialisierter Arzt, dass sie zu Sterbehilfe berechtigt war. Zwei unabhängige Ärzte bestätigten dies laut NOS.

„Zustand der Verwirrung"

Am Tag ihres Todes wurde ihr ein Beruhigungsmittel in den Kaffee getan, das sie bewusstlos werden ließ. Ihre Tochter und ihr Ehemann waren dabei. "Die Frau war in einem Zustand der Verwirrung und die Ärztin sah keine Möglichkeit, sich mit ihr zu unterhalten", berichtete NOS. Die Patientin wachte während des Sterbehilfe-Prozesses auf und musste von ihren Verwandten festgehalten werden, bis sie starb.

"Eine entscheidende Frage in diesem Fall ist, wie lange ein Arzt einen Demenz-Patienten beraten sollte, wenn der Patient in einem früheren Krankheitsstadium bereits um Sterbehilfe gebeten hat", sagte Sanna van der Harg, Sprecherin der Staatsanwaltschaft. "Wir stellen nicht in Frage, dass die Ärztin in bester Absicht gehandelt hat."

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hätte die Ärztin jedoch "ein intensiveres Gespräch" mit der Patientin führen müssen, bevor die Sterbehilfe geleistet wurde. "Das Gesetz gibt keine klare Anwort", sagte Van der Harg. Die richterliche Entscheidung soll in zwei Wochen fallen.

(APA/AFP)

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