Margaret Atwood, 1939 in Ottawa geboren, hat eine ganze Reihe von Dystopien entworfen, sich aber auch als Verfasserin bissiger Kurzgeschichten einen Namen gemacht.

Atwoods Mägde sind zurück: Frauen als Komplizinnen der Macht

Vor über 30 Jahren erzählte Margaret Atwood in „The Handmaid's Tale“ von einer Magd im brutalen patriarchalen Staat Gilead. Ihr neuer Roman, „Die Zeuginnen“, knüpft daran an – und zeigt uns, wie Gileads Frauen zu Täterinnen werden.

Von so viel Rummel wird die Veröffentlichung eines Romans selten begleitet: Eine geheimnisumwitterte Lesung in einer Londoner Buchhandlung um Mitternacht. Ein weltweit in Kinos ausgestrahltes Interview mit der Autorin am Tag darauf. Strikte Geheimhaltung bis zum 10. September. So strikt, dass die Jurymitglieder des Booker-Preises ihr Leseexemplar höchstpersönlich entgegennehmen mussten, weil es ja sonst in falsche Hände geraten könnte. So strikt, dass von einem Skandal die Rede war, als Amazon irrtümlich ein paar Bücher vorab verschickte. „Als wär's der nächste ,Harry Potter‘“, titelte die Tageszeitung „Die Welt“. „Der Spiegel“ publizierte online Auszüge aus den ersten drei Kapiteln und verkaufte das als Coup. Warum dieses Interesse an Margaret Atwoods neuem Buch?

Vielleicht, weil Margaret Atwood für den Vorgängerroman ein offenes Ende gewählt hat, und nun 50 Millionen Leser endlich wissen wollen, wie die Geschichte ausgeht. Vielleicht, weil die auf dem „Report der Magd“ („The Handmaid's Tale“) beruhende Serie mit Elisabeth Moss immens erfolgreich ist und der Kanadierin neue Fans zugetrieben hat. Hinzu kommt wohl, dass der Stoff heute eine noch größere politische Brisanz hat als zur Zeit seiner Entstehung. 1985 schien die Bedeutung der Religionen im Schwinden begriffen, und in puncto Emanzipation der Frau war die Richtung genauso klar: voran. Eine theokratische Gesellschaft wie die im fiktiven Gilead, wo Mädchen als Minderjährige zwangsverheiratet werden und auf Abtreibung die Todesstrafe steht, das war gruselig, aber doch verflixt weit weg. Weiter weg als heute jedenfalls.

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