Chaos um Pflege und Steuern: "Leute sind verunsichert"

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Gemeindebund-Chef Mödlhammer bittet Bundespräsident Fischer um einen runden Tisch. Pflege, Finanzierungs- und Steuerideen müssten abseits der Parteipolitik diskutiert werden.

Wien. Bundespräsident Heinz Fischer bekommt Post. Absender ist auch ein Präsident: Helmut Mödlhammer, Chef des österreichischen Gemeindebundes, kündigte auf Anfrage der „Presse“ an, dass er noch im Laufe des Dienstags ein Schreiben an das Staatsoberhaupt unterzeichnen werde. Dessen Inhalt: Fischer wird gebeten, nach seiner neuerlichen Angelobung am 8.Juli einen runden Tisch einzuberufen. Auf diesen müssten Lösungen zur Finanzierung einer wachsenden Zahl an pflegebedürftigen Menschen gelegt werden. Es sollten aber auch Änderungen in der Verwaltung zur Sprache kommen.

24-Stunden-Pflege entschärft

Die Wogen um die 24-Stunden-Betreuung daheim, die bei der Wahl 2006 und danach monatelang für Aufregung gesorgt hat, haben sich zwar geglättet. Rund 23.000 Pflegekräfte haben sich nach den Daten des Sozialministeriums bis Ende April 2010 offiziell gemeldet. Damit ist allerdings nur ein kleiner Teil der Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt. Denn die Zahl der Bezieher des Mitte 1993 eingeführten Pflegegeldes steigt stetig – auf mittlerweile rund 365.000. Vor allem Gemeinden und Länder stöhnen als Erhalter von Pflegeheimen unter den steigenden Kosten. Aber eine Lösung für die Finanzierung ist weit und breit nicht in Sicht.

Die Lage spitzt sich sogar weiter zu, weil der Wunsch nach mehr Geld jetzt lauter erhoben wird, während gleichzeitig die Koalition überall sparen muss. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) kommt damit vom Regen in die Traufe. Denn noch ist völlig unklar, wie er knapp 250 Millionen im Budget 2011 und insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro bis 2014 bei Pensionen und im Sozialsektor einsparen wird. Das wird ein heißer Herbst für den Ressortchef. Denn er muss bis Jahresende Vorschläge zur Pflegefinanzierung erarbeiten.

Derzeit machen die Aufwendungen für Pflege rund zwei Milliarden Euro aus. Länder und Gemeinden rennen dem Minister wegen der Finanzprobleme die Tür ein. Überlegt werden Abstriche bei jenen Menschen, die laut Einstufung das niedrigste Pflegegeld erhalten. Eine der Varianten, die dabei infrage kommt, ist, weniger Geld direkt an Betroffene auszuzahlen und mehr für Sachleistungen auszugeben. Die Hoffnung, die damit verbunden ist: Mittel, mit denen beispielsweise soziale Organisationen und öffentliche Einrichtungen unterstützt werden, sollen mehr Arbeitsplätze bringen statt die Direktzahlung. Fixiert ist vorerst allerdings gar nichts.

„Sorge um die Ersparnisse“

Mödlhammer bittet, wie er im Gespräch mit der „Presse“ betont hat, Fischer, die Patronanz zu übernehmen, damit Pflege, Finanzierungs- und Steuerideen abseits der Parteipolitik ab dem Sommer diskutiert werden. Der Gemeindebundchef hofft dabei auf ein Ende der öffentlichen Diskussion ständig neuer Steuerideen im Gefolge der Krise. „Die Leute sind derart verunsichert“, warnt er, „sie haben große Sorge um den Euro und ihre Ersparnisse.“

Um die Finanzierung der Pflege herrscht Chaos. Zwar gibt es Vorschläge, einen Pflegefonds einzurichten. Dafür sollten Einnahmen aus der Besteuerung von Vermögen abgezweigt werden. Nur ist dieses Geld inzwischen zum Füllen der Budgetlöcher vorgesehen.

Daneben gibt es einen zweiten Plan: die Einführung einer Pflegeversicherung nach deutschem Vorbild. Auch dabei verlaufen die Fronten kreuz und quer. So hat sich in der Vorwoche mit Oberösterreichs Landesrat Josef Stockinger ein ÖVP-Politiker für eine Versicherung starkgemacht, vor allem, um den Gemeinden finanziell unter die Arme zu greifen. Der Haken dabei: Eine Pflegeversicherung als Aufschlag zur Sozialversicherung würde die in Österreich ohnehin hohen Lohnnebenkosten weiter in die Höhe treiben.

Hundstorfer setzt vorerst, wie bei allen heiklen Problemen vor der Wien-Wahl am 10. Oktober auf Abwarten. Bis zum Sommer müssen die Länder offiziell ihren (Zusatz-)Bedarf bei der Pflege anmelden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2010)

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