Die Teilnehmer nicht wie Schüler behandeln

Erwachsene müssen in den Kursen oft aus ihrem Alltag in die Lernwelt geholt werden.
Erwachsene müssen in den Kursen oft aus ihrem Alltag in die Lernwelt geholt werden. (c) Getty Images (vm)
  • Drucken

In Zeiten des lebenslangen Lernens boomt die Erwachsenenbildung. Diese funktioniert aber anders und hat andere Herausforderungen als die Wissensvermittlung an Schüler oder Studenten.

In jedem Alter gibt es Neues zu lernen, Wissen aufzufrischen, und immer öfter schlagen Menschen auch im fortgeschrittenen Alter gänzlich neue Wege ein. In Kursen, Weiterbildungen und Umschulungen wird von den Vortragenden und Lehrpersonen neben fachlicher Expertise auch pädagogisches Know-how und didaktisches Grundkönnen erwartet. „Ein Fehler, der in der Erwachsenenbildung oft begangen wird, ist, die Erwachsenen wie Schüler zu behandeln und das Lernsetting schulisch zu gestalten“, erklärt Elke Gruber, Leiterin des Arbeitsbereichs Erwachsenen- und Weiterbildung am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Universität Graz. Dieses Verhalten entstehe oft, wenn die Vortragenden selbst nichts anderes als schulisches Lernen kennen. Der Effekt dieses Lernsettings sei allerdings, „dass sich dann die Teilnehmer auch wie Schüler verhalten“. Gruber betont: „Wer den Teilnehmern auf Augenhöhe begegnet und ihre Erfahrungen ernst nimmt, der macht schon viel richtig.“

An der Universität Graz gibt es das viersemestrige Studium Erwachsenen- und Weiterbildung. Gruber spricht von der Erwachsenenbildung als „riesiges, komplexes Professionsfeld“, schließlich sei das Erwachsenendasein die größte Spanne im Leben eines Menschen: vom jungen Erwachsenen bis zum hochbetagten Senioren. „Unsere Studierenden lernen, Lern- und Lehrprozesse professionell zu konzipieren, zu managen und zu begleiten.“ Während des Studiums dreht sich viel um aktuelle Konzepte und Theorien der Erwachsenenpädagogik, aber auch praktische Konzeptentwicklung und Forschung – nicht zuletzt im Rahmen der Erstellung der Masterarbeit – sind Teil des Curriculums. Das Masterstudium steht Bachelorabsolventen der Bildungs- und Erziehungswissenschaften oder ähnlicher Studien wie Psychologie oder Soziologie offen. Wer kein einschlägiges Bachelorgrundstudium vorzuweisen hat, der kann an der Uni Graz den fünfsemestrigen, berufsbegleitenden Masterlehrgang Erwachsenenbildung/Weiterbildung besuchen.

Dialog statt Belehrung

Dass das Lernen für Erwachsene „nicht wie für Schüler oder Studierende das Hauptgeschäft darstellt“, weiß Peter Schlögl, Sprecher des Arbeitsbereichs Erwachsenenbildung und berufliche Bildung am Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung der Universität Klagenfurt, an der das Masterstudium Erwachsenen- und Berufsbildung angeboten wird. Für Schlögl ist „in der Erwachsenenbildung der Dialog ein wesentliches Element, nicht der Unterricht“. Erwachsene würden sich häufig auch aus reinem Interesse weiterbilden. „Dieses muss nicht immer mit beruflicher Weiterbildung oder Veränderung einhergehen.“

Aus dem Alltag zum Lernen hinführen

Es gelte – insbesondere in den klassischen Abendseminaren – „Menschen aus dem Alltag herauszulösen und zum Lernen hinzuführen“. Um das erfolgreich bewerkstelligen zu können, sei viel Prozesserfahrung notwendig. Darüber hinaus sei es ebenso wichtig „damit umzugehen, wenn einer einmal nicht aufnahmebereit ist, weil andere Aspekte dem Lernen gerade im Weg stehen“. Beim Masterstudium in Klagenfurt stehen Grundlagen der Erziehungs- und Bildungswissenschaft, Theorien und Rahmenbedingungen der Erwachsenen- und Berufsbildung, professionelle Handlungskompetenzen und anwendungsorientierte Bildungsforschung als Basisbausteine im Curriculum. Darüber hinaus sind zur Spezialisierung Wahlfächer zu belegen, im Lauf der vier Semester ist auch eine einschlägige Praxis im Ausmaß von 150 Stunden zu absolvieren.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist laut Schlögl „zu wissen, wofür man übt oder lernt“. Ähnlich wie beim Trainingsplan im Fitnesscenter gelte es, „die Elemente des ,Trainingsplans‘ zu verstehen – und nicht es zu machen, nur weil es jemand angeschafft hat“. Die „Sorge um das Nichtkönnen“ sei lernhemmend. „Gerade in der Gruppe, in der die Teilnehmer merken, dass sie nicht allein sind und die anderen auch hier sind, um das zu lernen, was sie selbst nicht können“, könne eine lernförderliche Umgebung geschaffen werden. „Hier ist auch der Kursleiter gefragt, der die – je nach Teilnehmer oft recht unterschiedliche – Ausgangssituation nicht als Makel, sondern als nichts Außergewöhnliches identifiziert und dementsprechend handelt.“ Erwachsene haben zudem – noch deutlicher als Schüler – beim Lernen ein „unmittelbares Anwendungsinteresse und einen konkreteren Bezug“, sagt Bettina Fuhrmann, Leiterin des Instituts für Wirtschaftspädagogik an der WU Wien. Wirtschaftspädagogen werden in erster Linie zu Lehrern für wirtschaftliche Fächer an berufsbildenden Schulen ausgebildet, „aber nicht nur, sondern unsere Absolventen können auch in der Erwachsenenbildung oder gänzlich außerhalb des Bildungsbereichs in einem wirtschaftsakademischen Beruf arbeiten.“

Nicht ohne pädagogische Basics

Fuhrmann bekräftigt, dass es „auch im Bereich der Erwachsenenbildung eine Notwendigkeit für pädagogische Basics gibt“. Klassiker dabei sei, „sich Gedanken zu machen, wie man beginnt“. Also wie die Teilnehmer aktiviert und motiviert werden. Wie es die Vortragenden schaffen, „Bilder im Kopf“ entstehen zu lassen. Sie zieht ebenfalls einen Vergleich zum Sport. „Ich beginne schließlich auch nicht ohne Aufwärmen zu turnen.“

Einig sind sich die Experten, dass das Berufsfeld für Erwachsenenbildner ständig größer wird und die Absolventen auf dem Arbeitsmarkt heiß begehrt sind. Und dass die Bemühungen im Bereich der Erwachsenenpädagogik durchaus ausbaufähig sind. Von „Luft nach oben“ spricht Gruber, dass der Bereich „nicht geregelt ist“, betont Schlögl. Tratschen ist bei Erwachsenen übrigens selten ein Problem – wenn sie denn freiwillig im Kurs sitzen. Gruber spricht vom „Feedback mit den Füßen“ – wem es nicht gefällt, der steht auf und geht. Spätestens dann sollte man als Erwachsenenbildner über sein didaktisches Know-how ins Grübeln kommen.

Web:www.uni-graz.at, www.aau.at,

www.wu.ac.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.