Echte Heldengeschichten brauchen Kometen und Drachen

Symbolbild.
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Wann ist der optimale Zeitpunkt, um seine Biografie schreiben zu lassen? Die Exegese sagt: Mit 33 Jahren erreicht man den Zenith.

In den Verliesen des Gegengifts gibt es eine mächtige Abteilung, die sich mit einer streng geheimen Meisterklasse des abgehobenen Journalismus beschäftigt. Hunderte Kolleginnen und Kollegen vollenden dort die hohe Kunst der Hagiografie. Sie wissen genau, wann die rechte Zeit für derartig heikle Huldigungen gekommen ist, ehe sich die Vita eines jeden Mächtigen allmählich verdunkelt. Weil Biografien berühmter Männer gerade en vogue sind – hier ein paar Tipps aus unserer Erdberger Unterwelt für künftige Lohnschreiber:

1) Die optimale Phase für eine Lebensbeichte ist das 33. Jahr. Sentimentale 68er hielten einst 27 für das Maß aller Dinge, weil in diesem Alter ihre Besten schon jenseits waren. Aber das ist unzeitgemäß. Für einen freien Christenmenschen wirken Biografien, die derart unvollendet abgeschlossen werden, geradezu häretisch.

2) Wesentliche Bedeutung für solche Legendenbildungen hat die Stunde der Geburt. Die Sterne müssen günstig stehen. Das wusste bereits Geheimrat Goethe, der seine Fake-News-Sammlung „Dichtung und Wahrheit“ so eröffnete: „Am 28. August 1749, mittags mit dem Glockenschlage zwölf, kam ich in Frankfurt am Main auf die Welt. Die Konstellation war glücklich: Die Sonne stand im Zeichen der Jungfrau und kulminierte für den Tag; Jupiter und Venus blickten sie freundlich an, Merkur nicht widerwärtig, Saturn und Mars verhielten sich gleichgültig . . . “ Hilfreich sind auch seltene Naturereignisse. Am besten Kometen. Weder Alexander der Große noch Nero der Sänger kam ohne gewaltige Vorzeichen auf die Welt.

3) Es genügt nicht anzugeben, dass der Held bereits in Windeln ganze Sätze gesprochen habe. Sartre etwa merkte in seiner Geschichtsklitterung „Les Mots“ prahlerisch an, dass er schon als Kleinkind eifrig Weltliteratur las. Er wird heute kaum noch erwähnt. Nein, ein Tatenmensch soll die prägenden Phasen nicht in Bibliotheken verbringen, sondern wie Herakles als Säugling tödliche Schlangen erwürgen, die ihm von der bösen Konkurrenz in seine Wiege gelegt wurden.

4) Ein Heros braucht Entwicklung. Wesentlich für die Heiligsprechung ist nicht die Reinheit (sie kann warten bis zur Zeit der Reife), sondern die Erweckung. Das liest sich dann etwa so: Als S. sich einst von Meidling nach Damaskus aufmachte, blendete den Jüngling kurz vor Perchtoldsdorf die Sonne derart, dass er flugs vom Pferd stürzte. Asteroiden verglühten über den Bergen von Gießhübl, feuerspeiende Drachen stürzten sich in die kalte Liesing. Eine Stimme vom Himmel her fragte ihn: „S., der du nun K. heißen sollst, wirst du die Balkanroute schließen?“ Da erkannte K., dass er auf dem falschen Weg war. Er kehrte um und schrieb moralische Briefe an seine Gemeinden.Der Rest ist Routine. Nichts als PR.

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