Die Identität, die sie meinen

Was stiftet Identität? Die Tracht, das Kreuz an der Wand?
Was stiftet Identität? Die Tracht, das Kreuz an der Wand?(c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
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Die ÖVP will »unsere österreichische Identität bewahren«. Sie beansprucht damit einen Begriff, den Freiheitliche und Identitäre schon länger besetzen. Was Identität stiftet – und was sie bedroht – steht nicht erst seit diesem Wahlkampf zur Diskussion.

Es war eine kurze Aussendung. FPÖ-Sicherheitssprecher Walter Rosenkranz kam gleich zum Punkt: Die Forderung von SPÖ-Kanzler Christian Kern, Flüchtlinge mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit zu integrieren, „wäre eine Belohnung für illegale Massenzuwanderer, die ihre Identität verschleiern“, schrieb er Anfang 2017 wütend.

In FPÖ-Aussendungen taucht das Wort Identität ab Beginn der Flüchtlingsbewegung 2015 meist als etwas auf, das an der Staatsgrenze in der Hoffnung auf Asyl verheimlicht und verfälscht wird. Gleichzeitig wird als Gegenpol zu diesen vielen „falschen“ Identitäten, die ins Land kommen, die eigene propagiert: „Die Bewahrung unserer Identität ist das Gewissensthema unserer Epoche“, hieß es im Wahlprogramm 2017. Daher sei das „ideelle Engagement für die Bewahrung der eigenen Kultur und Sprache“ so wichtig.

In der Koalition mit Sebastian Kurz' ÖVP fühlten sich die Freiheitlichen verstanden. Gemeinsam sei man ein Gegenentwurf zur „linken 68er-Generation“, die „im Namen des Fortschritts zerstörerisch“ wirkt, erklärte Ex-Innenminister Herbert Kickl der „Tiroler Tageszeitung“ wenige Monate vor Ibiza. Er denke an das „Aushöhlen der staatlichen Identität oder der Identität des Familienverbundes“, beides Trends, die die 68er mit ihrer Politik vorantrieben. Dabei wollten die Menschen doch Orientierung, Verortung.

Sein Ex-Koalitionspartner erkannte, dass sich auch ohne Freiheitliche an der Seite ausgezeichnet mit dem Wort Identität wahlkämpfen lässt. Sebastian Kurz veröffentlichte am Dienstag einen weiteren Teil seines Wahlprogramms. Titel: „Unsere österreichische Identität bewahren“. Die Gesellschaft habe sich durch Migration und Zuzug in den letzten Jahren „massiv“ verändert, sagte Kurz bei der Präsentation. Daher sei eine Reihe von Maßnahmen notwendig, um gegenzusteuern. Neben der Bekämpfung der illegalen Migration, der „konsequenten Umsetzung“ der Mindestsicherung neu, dem Kreuz im Klassenzimmer und dem Fach „Staatsbürgerkunde“ findet sich der Punkt „Kampf gegen Extremismus“. Darunter subsumiert die ÖVP auch die Auflösung extremistischer Vereine wie dem der Identitären.

Ein eleganter Kniff: Man macht die Bewahrung der österreichischen Identität zu einem Kernthema des eigenen Wahlkampfs. Gleichzeitig räumt man der rechtsextremen Splittergruppe, die das Wort im Namen trägt und deren Verbot es bis zur Koalitionsbedingung für eine Neuauflage von Türkis-Blau brachte, eine Erwähnung hinten im türkisen Programm ein. Natürlich nur in dem Sinn, als ihr Verbot genauso zum Schutz der Identität beiträgt wie das Kreuz im Klassenzimmer und die Verteidigung der EU-Außengrenzen.

Der Kurs der türkisen Volkspartei schaffte es schon vor der Neuwahl in die internationalen Medien. Mehrere widmeten dem jungen Kanzler, der mit den Rechten koaliert, ein Cover. Etwa das „Time“-Magazin vergangenen November. Unter der Headline „Extreme Makeover“ befanden die Autoren: „Österreichs junger Bundeskanzler bringt die Rechtsextremen in den Mainstream.“ Kurz habe es verstanden, die Themen „Identität, Islam und Immigration“ für sich einzusetzen.

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