Intralogistik: Im Highend-Bereich der Automatisierung

Autonome Kleinlastenfahrzeuge des Typs Sally in einem dänischen Krankenhaus.
Autonome Kleinlastenfahrzeuge des Typs Sally in einem dänischen Krankenhaus.(c) DS Automotion
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Selbstfahrende, rollende und tragbare Roboter sind die Zukunft im Transport und der Bewegung von Waren. Ein Blick auf jüngste Entwicklungen.

Nahezu lautlos kurvt Sally durch die Gänge des Krankenhauses, um Medikamente direkt zu den Patienten zu bringen, Laborproben zum Arzt oder Gerätschaften von A nach B. Flurbetten werden gekonnt umschifft, Zusammenstöße mit Personal und Spitalsbesuchern vermieden. Für das sichere Navigieren nutzt die Mobilroboter-Plattform die Technologie Slam (Simultaneous Localization and Mapping) dafür, anhand feststehender Merkmale der Fahrumgebung ihre Bahn zu überprüfen. Dank 3-D-Kameras und taktiler Bodenscanner sind Spurführung oder künstliche Landmarken nicht vonnöten. „Mit dem Sally-Kurier haben wir eine Lösung für den schnellen, sicheren und dokumentierten Transport kleinerer Warensendungen innerhalb medizinischer Einrichtungen entwickelt“, sagt Eva Hertel Murga, Produktmanagerin bei DS Automotion. Ziel ist die Entlastung von Gesundheitsinstitutionen bei der oftmals mühsamen Organisation von Hol- und Bringdiensten.

Unbemannt und autonom

Aktuell erledigen im Testbetrieb 22 Sallys gemeinsam mit vier fahrerlosen Gabelstaplern von DS Automotion das Sterilguthandling in zwei dänischen Krankenhäusern. Ende 2019 soll das System serienmäßig in Krankenhäusern in Betrieb gehen. Es ist eine der jüngsten Innovationen aus dem Hause des Linzer Spezialisten für Fahrerlose Transportsysteme (FTS). Während selbstfahrende Pkw, Lkw oder Busse auf der Straße erste Probeeinsätze absolvieren, bringen in Werkshallen und Krankenhäusern unbemannte Fahrzeuge von DS Automation ihre Fracht seit 35 Jahren ohne Fahrer von A nach B. „1984 realisierten wir unser erstes FTS als Träger für den Aufbau der Rohbau-Karosserien im Volkswagen-Werk Brüssel“, erinnert sich Geschäftsführer Manfred Hummenberger an die Anfänge. Mittlerweile gehört man zu den weltweit führenden Herstellern in diesem Segment und stellt mehr als 6000 in Linz gefertigte FTS in rund 300 Anlagen für den täglichen Betrieb.

Mit der Herstellung mobiler Roboter befindet man sich im Highend-Bereich der Automatisierung im Zeitalter der Industrie 4.0. Zu den weltweit am weitesten fortgeschrittenen Robotik-Unternehmen zählt Boston Dynamics. Das einstige Spin-off des Massachusetts Institute of Technology (MIT), das sich in den 1990er-Jahren mit der Entwicklung von tierähnlichen Laufrobotern einen Namen machte, fertigt inzwischen autonom rollende Roboter, die Logistikaufgaben in Lagerhallen selbsttätig erledigen. Handle 2.0 heißt das neueste Produkt. „Wir haben eine zweirädrige Maschine gebaut, die die Manövrierfähigkeit von zweibeinigen Robotern in komplexen Umgebungen mit der Effektivität und Schnelligkeit von Rädern kombiniert“, heißt es seitens der Entwickler. Mit einem Greifarm ausgestattet, wird Handle 2.0 künftig die Aufgaben von Stapelfahrern übernehmen, sprich in einem Lager Kisten und Kartons ergreifen, sie an ihr Ziel transportieren und dort ablegen. Die Kraft des Prototypen, der Ende des Jahres in Serienproduktion gehen soll, reicht aus, um Waren mit einem Gewicht von bis zu 14 Kilogramm zu heben und zu transportieren.

Roboter als Anzüge

Immer neue Entwicklungen in Sachen Automatisierung gibt es auch dort, wo es nicht um die Substitution von Menschen, sondern um das Miteinander mit Maschinen geht – Stichwort Exoskelett. Die Rede ist von einer Art Roboteranzug, der die Körperbewegung des Trägers registriert und mit Servo-Motoren verstärkt. Zugleich entlasten die mechanischen Gelenke und die Stützstruktur die Gelenke und Knochen des Anwenders. Was im medizinischen Bereich bereits seit Jahren im Einsatz ist, etwa für Querschnittgelähmte, soll nun Bereiche der Industrie und Logistik erobern. Insbesondere bei gesundheitsbelastenden Hebetätigkeiten könnten Exoskelette wertvolle Dienste leisten – und das auf künstlich intelligente Weise. So erkennen die aktuellen Modelle führender Hersteller persönliche Hebe-Profile der Nutzer wieder und passen sich mittels Machine Learning zunehmend an das individuelle Nutzungsverhalten an.

In Japan wurde indes das erste Exoskelett der Welt präsentiert, das direkt durch Nervensignale anstatt durch Muskelsignale gesteuert wird. In der Industrie ist man hellhörig geworden. „Wir haben bereits an mehreren Standorten den Einsatz von Exoskeletten in Pilotprozessen getestet“, sagt etwa Gerald Müller, Process and Efficiency Management bei DB Schenker. Auch in der Automobilmontage wird damit gearbeitet, beispielsweise bei BMW. Die Firma vertraut im US-Werk in Spartanburg bei der Überkopf-Montage auf die Unterstützung von 68 Exoskelett-Westen.

Auf einen Blick

Die Automatisierung bei intralogistischen Abläufen schreitet unaufhaltsam voran.

► In Lagerhallen gehören Fahrerlose Transportsysteme (FTS) schon länger zum Standard, auf Krankenhausfluren sind sie im Vormarsch.
► Eines des fortgeschrittensten Systeme in diesem Bereich ist ein von Boston Dynamics entwickelter, autonom agierender Roboter auf zwei Rädern, der den Lageristen ersetzen soll.
► Gesundheitsbelastende Hebetätigkeiten sollen durch Exoskelette erleichtert werden, die sich dem Nutzungsverhalten anpassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2019)

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