E-Mobilität: Oberleitung auf der Autobahn

Auf einer Teststrecke in Deutschland sollen Hybrid-Lkw ihre Akkus während der Fahrt auf der Autobahn via Oberleitung laden.

Will man den Lkw-Verkehr auf reine Elektromobilität umstellen, hat man rasch ein Reichweitenproblem. In Deutschland wird seit dem Frühjahr eine originelle Lösung getestet: Oberleitungen auf der Autobahn. Diese dienen nicht wie bei der Straßenbahn zur direkten permanenten Energieversorgung des Antriebs, sondern sollen während der Fahrt die Akkus der Diesel-Hybrid-Lkw laden. Entsprechend muss für dieses Konzept nicht die gesamte Autobahn mit Oberleitungen versehen werden, sondern nur einzelne Abschnitte.

In Südhessen sind nun im Rahmen eines Pilotprojekts der viel befahrenen Autobahn A5 in beide Fahrtrichtungen auf der rechten Spur jeweils fünf Kilometer mit Oberleitungsmasten versehen. Die Lkw greifen den Strom mittels Bügel ab, wie man ihn von Straßenbahnen oder Omnibussen kennt. Bis 2022 wollen sich fünf Speditionen mit entsprechend ausgerüsteten Fahrzeugen an dem Feldversuch beteiligen. Getestet werden soll die Praktikabilität, zudem soll der Mehraufwand für die Straßenmeisterei ermittelt werden. Die Teststrecke wird im Rahmen des Projekts Elisa (elektrifizierter, innovativer Schwerverkehr auf Autobahnen) vom deutschen Umweltministerium finanziert. Die Kosten für die technische Ausstattung betragen 14,6 Millionen Euro. Für die Datensammlung und Auswertung bis 2022 sind zusätzlich 15 Millionen Euro projektiert. Weitere Feldversuche sind in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein geplant. In Schleswig-Holstein soll bei Lübeck getestet werden, ob eine Anbindung an einen Hafen funktioniert. In Baden-Württemberg soll auf einer Bundesstraße die Tauglichkeit für Ortsdurchfahrten geprobt werden. Erste derartige Teststrecken gibt es bereits in der USA und in Schweden.

Europaweites System als Ziel

In Norditalien gibt es ebenfalls Pläne für einen derartigen E-Highway. Laut Projektleiter Achim Reußwig von der Verkehrsbehörde Hessen mobil muss ein solches System jedenfalls europaweit gedacht werden.

Nach Schätzungen des deutschen Umweltministeriums wären in Deutschland rund 1000 Kilometer Autobahn mit Oberleitungen notwendig – bei einer Million Euro pro Kilometer eine Investition von rund einer Milliarde Euro. Hinzu kommen die Kosten für die Umrüstung der Fahrzeugflotten der Transporteure. Hersteller Scania, der die Prototypen für den Test gebaut hat, beziffert die Anschaffungskosten für die Oberleitungs-Hybrid-Lkw mit 150 bis 175 Prozent des Preises eines herkömmlichen Lasters. Apropos Kosten: Ein offener Punkt ist die Frage, wie der während der Fahrt „getankte“ Strom abgerechnet werden soll. In dem Pilotprojekt werden die Stromkosten vom Umweltministerium übernommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.