Mundschenk in Mauterndorf

SalzburgerLand. Da macht man Skiurlaub im Lungau, und schon hat man zwei Kilo mehr auf den Rippen. Weil hier die Eachtling wie die Schwammerln wachsen und die Schafe im Ganzen "aufgebratelt" werden.

B
este Pistenverhältnisse im Salzburger Lungau", flattert gerade eine Presse-Meldung bei der Redaktion herein. Das will aktuell was heißen. Der "Kältepol" sei schuld daran, dass sich auf dem Aineck/Katschberg, dem Fanningberg und dem Großeck/
Speiereck die Pisten nicht verflüssigt haben. Dabei hört und verwendet ein richtiger Lungauer das Wort Kältepol gar nicht gern.

Was das Wetter hoch über Mauterndorf, St. Michael und Mariapfarr nicht erledigt, besorgen Schneekanonen, und sei's flächendeckend. Was der Wind nicht verbläst, wird feiner Pulver, der gut zu durchpflügen ist, wenn man sich auf mögliche Eisplatten darunter einstellt. Reaktionsbereites Fahren nennt das der Skilehrer; man lernt dabei tatsächlich viel.

Wind-, aber auch geländetechnisch sind die Lungauer Skiberge mehr Nocken denn Tauern: runde Kuppen, im Ansatz stark bewaldet, aber oben kahl, sodass der Skifahrer viel der Sonne ausgesetzt ist und schon ganze Nachmittage auf der Hüttenterrasse verhocken kann. So wie die Kälte hat die Gegend aber auch die Sonne für sich gepachtet: An Solar-Stunden packt ein Mariapfarr ein Davos locker weg; die gute Farbe im Gesicht stammt von einer Stunde vor der Trogalm, wo einem die Sonne in die gusseiserne Pfanne voller Lungauer Kasnocken hineinscheint. Oder von einer Sesselliftfahrt im Revier Großeck/Speiereck, das bei einem internationalen Skigebiete-Test dereinst den dritten Platz belegte. Für ausgesuchte Freundlichkeit, Pistenpräparierung und Hütten war's damals; anzunehmen, dass das Skigebiet auch bei einem aktuellen Test gut abschneiden würde. Immerhin wurde in der letzten Zeit viel hineingepumpt - im Tal wurde ein neues Skizentrum mit Skiverleih, Depot, Skikindergarten und einem Campingplatz gebaut.

Das Halligalli anderer Skizirkusarenen fehlt einem hier nicht, es würde sich mit der Urigkeit der Region auch nicht gut vertragen. Après trifft man sich am Wirtshaustisch bei einem Menü aus regionalen Produkten und einem Schnapserl. Das war's dann schon. So bleibt man fit für den nächsten Skitag am Aineck, wo man für eine verlängerte Mittagspause im Gasthaus Schlögelberger einkehrt und mit der Hirschleber einen Volltreffer macht.

Ein Haubenrestaurant konsequent aufbauen, regelmäßig Kinderkochkurse veranstalten, fürs (Bayerische) Fernsehen Bauern interviewen, Catering-Einsätze am laufenden Band hinlegen, einen Lungau-Reiseführer schreiben, Kunstbildteller-Serien entwickeln und dann noch Delikatessen herstellen und vertreiben: klingt nach einem halben Berufsleben. Haubenkoch Gerhard Gugg aber ist 36 Jahre alt und bereits an einem Punkt angelangt, an dem er sich von Erfolgs wegen klonen müsste. 14 Jahre lang hat er im Mesnerhaus in Mauterndorf gearbeitet, das Restaurant sehr lang auch selbst geführt: "Am Anfang gab es in der Hauptsaison acht Tage, in denen kein einziger Gast daherkam. Zuletzt hatten wir eine Auslastung von 85 Prozent." In ein paar Monaten wird Gugg den Kochlöffel beiseitelegen und das Feld seinen Mitstreitern Maria Lechner und Josef Steffner-Wallner überlassen. Bevor er sich aber ganz den österreichweiten Kinderkochkursen, seinen Nudeln, Saucen und dem Catering widmet, steigt im gotischen Gemäuer noch einmal die bereits legendäre "Nacht der 20 Gänge": Man startet zu christlicher Zeit mit geräucherter Entenbrust oder Kaninchenstrudel mit Spitzkraut. Zur Geisterstunde neutralisiert ein Averna-Sorbet die Geschmacksnerven für ein Supreme von der Wachtel, zum Finish eruptiert ein Vulkan von Topfen-Heidelbeer-Strudel - so gegen vier Uhr morgens und nach etlichen Begleit-Sechzehnteln Pinot Noir, Riesling, Morillon. Seltsamerweise fühlt man sich weder völlig angegessen noch extramüde, denn immer wieder holt einen der Maestro in die Küche und lässt sich in die Häferln gucken.

Viele Zutaten für das Gourmetmarathon (16. und 17. 3.) stammen aus der Region. Das kommt nicht von ungefähr in einer Gegend, wo eine eigene Erdäpfelsorte - der Eachtling - gedeiht, der Rahmkoch wie eine Kalorienbombe einschlägt und im Almherbst die weidensatten Schafe im Ganzen "aufgebratelt" werden.

Dass der Lungau den lauter werdenden Ruf eines Feinkostladens genießt, ist auch die schuld von ein paar qualitätsbesessenen modernen Produzenten. Johann Georg Hochleitner ist einer von ihnen, seine "Choco-Lina" das Produkt des Experiments, eine allergikerfreundliche Schafmilchschokolade zu entwickeln - und zwar ohne Fülle, sondern gleich im Ganzen. Hochleitner, der von Tamsweg auszog, den Handel zu erobern, hat zuletzt mit seiner Kamelmilchschokolade für den arabischen Raum Wellen geschlagen.

Ein anderer, der seine Kunden regelrecht einkocht, ist Walter Trausner. Er betreibt mitten in Mauterndorf eine Genusswerkstatt, wo er Obst und Gemüse zu Marmeladen, Konfitüren, Confits und Chutneys handverarbeitet. Rein biologisch und ohne Zitronensäure, klassisch fruchtig, aber auch in ungewöhnlichen Kombinationen wie Zwetschken-Hanf, Erdbeere mit Lavendelblüten oder Grüner Paradeiser. Die Marmeladen sind immer frisch, im Regal maximal zwei Monate jung. "Manchmal packen wir die Gläser noch warm in den Karton", sagt Trausner.

Der urtümliche Eindruck des Lungau ist nicht zuletzt auf seine Architektur zurückzuführen: alte Bauernhäuser, kompakte Ortskerne, trutzige Burgen. Speziell in Mauterndorf hat sich das mittelalterliche Ensemble weitgehend erhalten: Gedrungene Häuser mit meterdicken Wänden, kleine Fenster, Sgrafitti an der Fassade.

Über dem Ort thront die Maut-Burg aus dem 13. Jahrhundert, an der früher kein Handelsreisender vorbeikonnte, ohne die Hosen herunterzulassen. Einen Eindruck davon, wie es hier im späten Mittelalter zuging, bekommt man bei einer interaktiven Führung im Sommer. Man marschiert mit einer Muhme, die in einer Mischung aus Mittelhoch- und Burgtheaterdeutsch alles kommentiert, durch die Gemächer und lernt den Hausherren, den Erzbischof von Keutschach, samt Gefolge kennen.

Winters ist man froh, seine Nase nur kurz in den 44 Meter hohen Wehrturm zu stecken und sich nach einem kurzen Rundgang auf einer Bank in der Burgschänke niederzulassen und am Met zu nippen. Ehe man sich es versieht, bekommt man einen Samtmantel umgehängt, muss den Mundschenk spielen und sich vor jedem Bissen Knödel einen Spruch ausdenken. Zum Glück ist man diesmal nicht der Hofnarr . . .

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